Über den Propheten Assil
Da lag er, langsam breitete sich das Blut über seiner zerschlissenen Robe aus, in der oberen Bauchgegend. Er sah beinahe aus, als wäre er durchsichtig. So wenig war von ihm übrig. Er war immer dünn gewesen, hatte er doch oft vergessen zu essen. Aber im Tod sah er noch weniger aus. Jemand hatte ihm die Hände über der Brust gefaltet und eine Rose dazwischen geklemmt. Ich erinnerte mich daran, ihn einmal bei einer seiner Reden beobachtet zu haben. Er war nicht gut darin gewesen zu sprechen. Er hatte oft nach Worten gesucht. War oft abgeschweift. Die Menge hatte oft peinlich berührt gehustet oder angefangen, den Raum zu verlassen. Doch seine Passion war echt gewesen. Beinahe unschuldig und rein. Meist kamen sie ohnehin nicht wegen Assil, sondern wegen des schlangenzüngigen, schönäugigen Brutarion von Belgerod (Schreibweise unklar). Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich bin ja schon lange nicht mehr dorthin gegangen. Habe ich doch rechtzeitig eingesehen, dass Magie auch Grenzen braucht. Ich hatte immer mal wieder an den zottigen Assil gedacht. Und wie unglaublich es mir erschien, dass wir vielleicht sogar wegen seiner Visionen hier auf diesem letzten Schlachtfeld standen. Er hatte sich so sehr gewünscht, das Land zu sehen, welches er in seinen Träumen so oft besucht hatte. Und jetzt lag er hier. Zurückgelassen von denen, die vorgaben, seine Freunde zu sein. Seinen Feinden überlassen, die wir leider sein mussten. Ich kniete nieder, um ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu wischen. Da schlug er die Augen auf, und der Schreck fuhr mir zunächst in alle Glieder. Doch dann rief ich alle herbei, um ihm vielleicht noch zu helfen. Assil sah mich nicht. Sein Blick längst im Jenseits. Er stammelte, dass man seine Freunde aufhalten musste, dass sie die Welt zerstören würden….dass….doch dann wechselte sein Gesichtsausdruck und er schien fast zu lächeln. Er wurde ganz ruhig.
Er sagte:
“Das Land wird leiden - lange - es wird brennen - es wird sich ewig anfühlen….aber dann kommt sie doch, die Rettung, aus einer unerwarteten Richtung - Fremde werden kommen und sie als ihre Heimat, als ihre wahre Heimat erkennen und sie heilen. Fürchtet euch nicht! Fürchtet….”
Und dann starb er. Seelig und ruhig. Verlassen von seinen Freunden in den Armen eines Feindes. Sie haben wirklich nichts, was ihnen heiliger ist, als ihre Macht zu erweitern. Ich begrub ihn mit den Meinen - errichtete mit meiner eigenen Kraft ein Grabmal. Sie murrten nur leise. Sie sahen, dass es mir wichtig schien, besser als die ‘Anderen’ zu sein. Ich stellte diesen kleinen Kerzenleuchter an sein Grab. Ein Symbol für das Licht, das er einst in dieser Welt gewesen war. Nun verloschen. Ob man sich an ihn erinnern wird?
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