Chrysal
Die Geschichte von Chrysal, dem Blühenden -
“Sollen sie doch kommen! Sollen sie uns doch verbrennen! Die Hoffnung, deren Zeugen wir heute wurden, wird bestehen!”
Die letzten Worte von Chrysal, dem Blühenden
Chrysal der Blühende war ein Magier aus Atlam, der sich auf Pflanzen aller Art spezialisiert hatte. Nach seiner Ausbildung wanderte er über die blühenden Weiten der verschiedensten Länder Sarkans und genoss all die prächtigen Farben, die der Kontinent zu bieten hatte. Doch bald geriet er in jene Gebiete des Kontinents, die die Maßlosen in ihrem Wahn ausgezehrt und vernichtet hatten. Wüsten, in denen nichts gedieh, außer dem Zorn und der Verachtung in Chrysals Herzen für die Taten der Maßlosen. Doch nach Zorn kam eine bittere Erkenntnis: Er würde sich niemals wie seine mutigen Brüder und Schwestern auf dem Schlachtfeld gegen die Zauberer der Maßlosen stellen können, auch wenn seine Künste angefragt wurden. Warum auch? Das Land war hier doch schon tot, und seine Fähigkeiten auf dem Schlachtfeld nutzlos!
Als der Krieg immer schlimmer wurde und Chrysal immer mehr bewusst wurde, dass die Kämpfe das ganze Land vernichten würden, machte er sich doch auf den Weg an die Front. Und das, obwohl seine Magie nichts ausrichten konnte - im Gegenteil, auch er zog ja Macht aus dem Land! Wie schmerzlich war ihm dies bewusst. So führte ihn sein Weg an einen Ort in Theneris. Ein Ort, dessen wenige Macht schon lange von den gnadenlosen Magiern, die die wenige Magie des Landes in Blitze und Stürme zwangen, die sie gegen die Verteidiger Sarkans schickten, ausgezehrt war. Die Kämpfe an diesem Ort hatten endlich aufgehört, die Maßlosen waren nach Norden gedrängt worden. Doch hier, mehr als andernorts, spürte Chrysal, wie wenig Kraft im Land verblieben war. Es war tot, würde nie mehr bestellt werden können, nie mehr auch nur eine Blume sprießen lassen. Grau und tot und hoffnungslos.
Tränen rollten über Chrysals Gesicht. Was könnte er tun? Ganz allein war er dort, und hoffte auf ein Zeichen, dass das Land nicht überall so verloren war wie hier. Verzweifelt fiel er auf die Knie und vergrub seine Hände im toten Boden.
Doch als er das Salz seiner Tränen schmeckte, als der Wind sich erhob und ihm durch das lange Haar strich, als fern am Horizont ein feuriger Blitz den Himmel spaltete und er den kalten Sand zwischen seinen Fingern spürte, erkannte er etwas. Er selbst hatte das Land aufgegeben, und darum war es verloren. An diesem Ort war noch Leben: Er selbst!
Und so ließ er seine Kräfte fließen, hinein ins Land. Er erschuf ein Gleichgewicht. Ein Gleichgewicht jener Urkräfte, die die Elemente waren. Und das Land, dieser kleine Ort, nicht mehr als ein Rechtsschritt, begann erneut zu leben. Direkt vor ihm, genährt von seiner Magie, drückte sich ein winziger Keimling durch den losen Boden. Er reckte sein einzelnes Blatt in Richtung der fahlen Sonne. Ein Zeichen der Hoffnung.
Chrysal ließ einen urtümlichen Schrei von sich, der erfüllt war von Zorn, von Freude, von Erleichterung - und von reinster Hoffnung.
Andere wurden von diesem Schrei angelockt und sahen das kleine Wunder. Und sie halfen dem entkräfteten Chrysal auf, brachten ihn ins Lager und pflegten ihn, denn seine Magie hatte ihn fast vollends verzehrt und um Jahre altern lassen.
Als Chrysal, nun grauhaarig und gebrechlich, einige Tage später sein Bettlager verließ, führten ihn seine ersten Schritte zu dem Spross. Und mit Freude sah er, dass andere ihn gepflegt hatten. Wasser und ein kleiner Stock als Stütze hatten ihn sogar wachsen lassen. Es heißt, Chrysal habe kein Wort gesprochen, nur dankend genickt und selig gelächelt.
Einige Tage danach hatte sich eine Blütenknospe gebildet, die im Begriff war, sich zu öffnen. Doch dann kam die Nachricht, dass die Truppen, die die Maßlosen gen Norden gedrängt hatten, komplett aufgerieben worden waren. Die Maßlosen, so berichteten Späher, kehrten zurück in diesen Landstrich. Viele beschlossen, zu flüchten, weiter nach Süden, um sich mit anderen Truppenverbänden zu verbinden. Doch Chrysal und die, die die zarte Pflanze gepflegt hatten, dachten nicht daran. Noch in der Nacht errichteten sie einen Schutzwall um die Pflanze - dieses Zeichen der Hoffnung war es wert, es mit ihrem Leben zu beschützen. Kurz vor Morgengrauen erreichten die Maßlosen den Ort und begannen sie zu umzingeln. Die wenigen verbliebenen Kämpfer bereiteten sich auf ihr Ende vor - doch Chrysal wartete nur auf das Morgenlicht. Und tatsächlich, mit dem Licht der Sonne öffnete sich die Knospe und breitete sich zu einer wunderschönen, himmelblauen Blüte aus. Als die Trommeln der Maßlosen zum Angriff riefen, sprach Chrysal jene Worte, für die er zum Helden wurde.
Nur sehr wenige konnten letztlich fliehen und von Chrysals Zeichen der Hoffnung erzählen. Chrysal starb an diesem Ort, als er die Blume beschützen wollte.
Die Maßlosen sahen die Blume nicht einmal, als ihre Stiefel sie unter sich begruben.
Für die Maßlosen war alle Hoffnung verloren.
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