Kindreth
Die Geschichte von Kindreth, lächelnd -
All jene, die den Krieg gegen die Maßlosen miterlebt haben, wissen von den Schrecken, die diese über das Land brachten. Selbst die stärksten Seelen zerbrachen angesichts all des Tods, des Leids und der Dunkelheit, die die Feinde Sarkans mit sich brachten. Ein jeder von uns hat Geschichten, die von den Schrecken künden, die uns überall und jederzeit umgaben. Die Welt selbst schien feindlich geworden, und Bosheit regierte. Kunst, Schönheit, Musik, all das wofür es sich zu Leben lohnt - irgendwann war nicht einmal das mehr zu finden in den Reihen der Bewahrer Sarkans. Die Dunkelheit in den Herzen der Maßlosen hatte sie angesteckt. Das Land war nicht mehr Heimat, sondern Schlachtfeld. Der Trommelschlag nicht mehr Musik, sondern Vorbote des Kampfes. Das Bild der Liebsten nicht mehr Trost, sondern Häme. Die Moral der Truppen drohte vollends zu kippen.
Kindreth aus dem Volk der Elfen von Cenderon spürte dies. Kindreth war stets eine auffällige Gestalt im Heerlager gewesen, anmutig, wunderschön. Eine Präsenz, die fließend war wie das Wasser, unbestimmt und wechselnd zwischen uralt und jung, Mann und Frau, Schatten und Licht. Kindreth kämpfte und kam mehr als einmal blutüberströmt aus der Schlacht zurück. Doch Kindreth lächelte. Kindreths sanftes Lächeln begleitete die Truppen, egal wie schlimm die Lage, wie aussichtslos der Kampf und wie dunkel die Nacht war.
“Warum lächelst du immer, Kindreth?” fragten die Soldaten, und Kindreth antwortete mit diesen Worten, die binnen kürzester Zeit die Runde in den verschiedensten Heerlagern der Bewahrer machten:
“Warum ich lächele? Ich sehe die Schrecken. Ich sehe die Dunkelheit. Ich sehe das Blut und erkenne, dass dieser Krieg diese Welt vernichten könnte. Doch kein lebendes Wesen sollte nur diese Dinge sehen und nichts anderes. Wir sind nicht dafür gemacht, jeden Tag nur in den Abgrund zu starren. Darum lenke ich meinen Blick auf das, was mir Kraft gibt. Die Krieger, die sich Arm in Arm vom Schlachtfeld schleppen, ein Zeichen der unendlichen Verbundenheit. Die Pflanzen am Wegesrand, die unberührt bleiben und denen es gestattet ist, in den Tag hineinzuleben. Die Sonne, die uns wärmt, jeden Tag aufs Neue. Die Sterne, deren Endlosigkeit selbst diese Schrecken klein wirken lässt. Und wo ich diese Dinge nicht mehr sehen kann, erschaffe ich sie mir: In meinem Geist sehe ich vor mir die tapferen Soldaten, gemalt in Öl auf Leinen. Ich komponiere mir die alte Volksweise über die unberührte Blume am Wegesrand. Ich tanze den Tanz von Sonne und Sternen, gemeinsam mit ihnen. Doch ihr, deren Lächeln ich so lange nicht mehr gesehen habe, gebt mir ein weiteres Bild. Ich muss nun erkennen, dass ich egoistisch war. Meine Welt, die mir so viel gibt, ich werde sie mit euch teilen. Die Schönheit der Welt durch die Schönheit der Kunst. Setzt euch, und hört zu.”
Kindreth begann daraufhin zu singen. Eine Ballade der Sterne, eine Arie des Lebens, den Kanon von der Schönheit der Welt. Und die Soldaten um Kindreth herum lächelten, das erste Mal seit Wochen. Und schon bald wurde es zu einer Gewohnheit, dass die Soldaten sich gegenseitig Lieder vorsangen, Geschichten erzählten oder Bilder zeigten, die sie gemalt hatten. Die Moral in Kindreths Einheit war so gut wie nie, und auch andere Truppenverbände hörten von der Macht der Kunst, die die Schönheit der Welt zwischen all diesem Schrecken entlocken konnte.
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