Pjotr
Die Geschichte von Pjotr dem Geduldigen -
Als der Krieg andauerte, und die ersten Helden unter den Magiern starben, wurde klar, dass eine zweite Generation die Sache unterstützen musste. Philosophische Streits auch unter jungen Magiern hatten jedoch viele auf die Seite der Maßlosen gezogen, und nur wenige erkannten die Gefahr dieses Weges bereits in ihren jungen Jahren. Pjotr war einer von ihnen. Er studierte maßvolle Magie und zögerte bereits während seines Studiums, seine Kräfte einzusetzen. Denn wozu? Um dem Land zu schaden, nur um eine Bestätigung dessen zu bekommen, was er gelernt hatte?
Pjotrs Lehrmeister waren bereits an der Front, doch er war weiterhin vertieft darin, sich nützliches Wissen anzueignen. Kampfzauber, Heilzauber, Verwandlungen - er lernte wissbegierig und vermied, sich zu spezialisieren. Denn er wusste: Seine Zeit würde kommen, der richtige Ort und die richtige Zeit, um seine Macht einzusetzen. So hatte er es gelernt: Erst denken, dann sich prüfen, und dann erst die Magie nutzen, die dem Land Schaden zufügt.
Ihm war bewusst, dass auch die maßvollen Magier im Krieg verzweifelte Akte vollbrachten, die jenseits ihrer Ideale waren. Doch er selbst zog daraus die Konsequenz, dass er umso sparsamer, umso geduldiger mit seinem Wissen und seiner Macht umgehen würde.
Schließlich war der Tag gekommen, an dem auch Pjotr keine Wahl mehr hatte: Der Krieg rief ihn zu sich, und er musste seiner Pflicht nachkommen. Geübt im Kampf mit Dolchen, der Handarmbrust und in Heimlichkeit wurde er, ohne auch nur einen Zauber zu wirken, ein gefürchteter Schrecken des Schlachtfeldes. Viele Maßlose und ihre Diener wurden durch ihn niedergestreckt. Andere zweifelten daran, dass Pjotr überhaupt die Insignien der Magierschaft verdient hatte, denn weiterhin kam nicht eine einzige Formel über seine Lippen. Doch er ließ sich nicht beirren.
In einer wichtigen Schlacht kam es dazu, dass die Maßlosen ihre Macht einsetzten, um das Schlachtfeld in Dunkelheit zu stürzen. Die Armee der Maßvollen hatte viele Fernkämpfer, denn ihr Plan war, die Feinde aus der Ferne zu vernichten. Ihre eigenen Nahkämpfer waren erschöpft und ihre Zahlen dezimiert. Sie erkannten nun die List, die hinter der Dunkelheit steckte: Die Maßlosen bereiteten im Schutz der unnatürlichen Dunkelheit ein Ritual vor, welches dem Land Kraft entziehen und sie gegen ihre Feinde schleudern würde - und weder die verbündeten Magier noch die Bogenschützen schienen es aufhalten zu können. Sie wussten ja nicht einmal, wohin sie schießen sollten.
Als die Ritualgesänge angestimmt wurden, war Pjotr gerade hinter feindlichen Linien unterwegs, allein und in Heimlichkeit. Die Dunkelheit hatte auch ihn überrascht, doch er verstand, was die Maßlosen vorhatten. Vorsichtig schlich er sich ins Lager der Feinde, selbst geschützt durch die Dunkelheit. Er fand den Ritualplatz, hörte den Gesang und erkannte den maßlosen Zauber, der gewirkt werden sollte.
Pjotr verstand. Dies war der Ort. Dies war der Moment. Kein Kampfzauber, keine Heilmagie, kein großes Ritual. Alles, was er benötigte, um die Maßlosen aufzuhalten, war bei ihm. Der einfachste Zauber, den er kannte.
Die einzige Formel, die Pjotr in seinem Leben aussprechen würde kam von seinen Lippen, und inmitten des Ritualplatzes, um ihn herum tanzend, formte sich ein prächtiger Ring aus Licht, der in die Luft stieg. Die Maßlosen blickten zunächst verwirrt, dann zornig auf den Feind in ihrer Mitte. Dann kam der Pfeilregen. Die Maßvollen hatten das Signal gesehen, den richtigen Ort für ihren Angriff erkannt. Das Ritual wurde unterbrochen, und die Feinde besiegt.
Man fand Pjotr am nächsten Tag. Ein Pfeil hatte sein Herz durchbohrt und ihm ein schnelles, gnädiges Ende bereitet. Als die Nachricht über den heldenhaften Magier, der den Sieg mit einem einfachen Lichtzauber ermöglicht hatte, die Runde machte, wurde Pjotr gefeiert. Fortan nannte man ihn Pjotr, den Geduldigen. Pjotr, der Ring aus Licht.
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