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Faitája

Die Geschichte von Faitája, der Milden - 

Wenn in den alten Geschichten von Helden die Rede ist, wird zumeist von strahlenden Gestalten erzählt, die sich, ohne zu zögern ihren Feinden entgegengestellt haben und für andere ein leuchtendes Vorbild sind. Oder die Geschichten handeln von jenen, die durch ihr Handeln vielen das Leben gerettet und ihre eigenen Interessen hintan gestellt haben. Diese Geschichten werden zur Erbauung und Unterhaltung endlos an den Lagerfeuern, in den Tavernen und in den Häusern der einfachen Bürger erzählt und so manches Kinderauge glänzt schon bei der Vorstellung, dass zukünftige Helden das eigene Gesicht tragen würden. Selbst einmal ein Held zu sein war aber niemals nur die Vorstellung träumerischer Kinder, dieser Wunsch wohnte und wohnt in den Herzen vieler, die sich großen Aufgaben oder Gefahren gegenüber sehen. Nicht so Faitája. Sie wollte niemals eine Heldin sein. Und wurde zu einer der größten und Geliebtesten Heldinnen von allen.

Faitája wurde in einem kleinen Dorf südlich des großen Gebirgszuges im Norden Sarkans im Land Theneris geboren. Ihr Zuhause lag in einer kargen, steinigen Landschaft. Vor vielen Jahrtausenden hatten hier schlimme Kämpfe getobt und das Land tief verletzt. Ihre Sippe siedelte auf diesem Gebiet und versuchte, diese Verletzungen zu heilen und in Einklang mit dem Land zu leben. Ihre Erfolge, das Land zu heilen, waren beachtlich und auch wenn sie dabei immer wieder in Konflikt mit Nomaden gerieten, so hatten sie doch Stolzes geleistet und dem einst so leidenden Land ein paar fruchtbare Stellen abgetrotzt. Schon als Kind zeigte Faitája außergewöhnliche Empathie und Mitgefühl. Während andere Kinder spielten und lachten, zog es Faitája immer zu denen hin, die Trost brauchten. Sie half ihrer Mutter, die als Hebamme und Kräuterkundige bekannt war, und lernte früh, wie man einfache Verletzungen versorgt und heilende Kräuter zubereitet. Eines Tages, als Faitája gerade sieben Jahre alt war, fand sie ein verletztes Lek-Kitz in einem kleinen Hain. Leks sind anspruchslos und leben in den Weiten der verletzten Ebenen, dort wo die heilenden Hände von Faitájas Sippe noch nicht wirken. Sie ernähren sich von den kargen Gräsern und Kräutern, die es in der Weite zu finden gibt und meiden den Kontakt zu Menschen und anderen Wesen. Wenn sie ihre Kitze gebären, suchen sie hin und wieder Schutz in etwas fruchtbaren Hainen und kleinen Wäldern, die es rund um die bearbeiteten Gebiete von Faitájas Leuten gibt. Dort bringen sie ihre Nachkömmlinge zur Welt und bleiben in den ersten Tagen im Schutz der Bäume, bevor sie mit den Kitzen, die noch auf wackeligen, dünnen Beinen standen, wieder in die unwirtliche Weite ziehen. Wird ein Kitz verletzt oder kommt es zu schwach zur Welt, verlassen die Mütter ihre Nachkommen, denn in der gnadenlosen Weite überleben nur jene, die stark und unverletzt sind. Ein solches verletztes Kitz brachte Faitája ohne Zögern nach Hause und pflegte es liebevoll gesund. Dieses Ereignis blieb den Dorfbewohnern in Erinnerung und sie begannen, das sanfte Kind und sein gütiges Wesen als Segen anzusehen.

Als sie mit etwa zwölf Jahren den Segen Vidubogs in ihrem Körper spürte, wusste Faitájas Mutter, dass es Zeit war, an ihren weiteren Weg zu denken. Faitája Fähigkeiten übertrafen die ihren schon jetzt und daher war ihr klar, dass weit mehr in ihrer Tochter steckte. Ihre Sippe kümmerte sich nicht um die Belange der Welt und wusste daher wenig von dem, was in den Weiten des Kontinents geschah, aber von den Akademien in Allakain und Atlam hatte selbst sie, die einfache Hebamme, bereits gehört. 

Mächtige Orte des Wissens waren es, die klügsten Köpfe und begabtesten Magier gingen hier ein und aus und wer dort aufgenommen wurde, konnte sicher sein, dass hier alle vorhandenen Talente aufs Beste entwickelt würden. Die Prüfungen zur Aufnahme waren hart und die Reise weit und beschwerlich, aber dieses Opfer würde Faitájas Mutter für die Ausbildung ihrer Tochter bringen. So kam es, Faitája zu den Heilern in der Akademie von Atlam gebracht wurde. Sie bestand die Aufnahmeprüfung und das Letzte, was ihre Mutter von ihr sah, waren die wehenden blonden Haare ihrer Tochter, die auf den Terrassen hoch über dem Meer stand und ihr zum Abschied zuwinkte.

Faitájas Mentorin, die weise Heilerin Amara, erkannte schnell die natürliche Begabung des Mädchens und förderte ihre Talente. Unter Amaras Anleitung lernte Faitája nicht nur die Kunst der Kräuterkunde, in den Hallen des Wissens unterwies man sie auch in magischen Heilpraktiken, die nur hier zugänglich waren. Faitája zeigte eine erstaunliche Fähigkeit, magische Energie zu kanalisieren und für Heilzwecke zu nutzen. Sie konnte Schmerzen lindern, Wunden schließen und sogar Krankheiten heilen, die als unheilbar galten. Doch nicht nur ihre Fähigkeiten machten sie besonders, sondern auch ihre große Güte und ihre Sanftmut, die alle in ihrer Nähe beruhigte.

Schon während ihrer Ausbildung spürte Faitája eine verstörende Veränderung der Atmosphäre. Offenbar gab es Unstimmigkeiten in den Kreisen Magiekundiger, unterschiedliche Ansichten über den Gebrauch von Magie wurden lauter und lauter. Als Faitája ihre Ausbildung abgeschlossen hatte, wurde aus dem anfänglich rein akademischen Konflikt zwischen Magiern unterschiedlicher Ansichten ein offener Krieg. Sie wurde Zeugin, wie die Welt, die sie kannte, in Flammen aufging und jedes Wesen, das in Sarkan leben wollte, gezwungen war, eine Seite zu wählen. Für Faitája war klar, dass ihr Weg jener derjenigen sein würde, die sich selbst die Bewahrer nannten. Zu sehr liebte sie alles, was lebte, als dass sie Schaden zufügen wollte. Sie mischte sich nicht in die Streitigkeiten ein, aber angetrieben von ihrem unerschütterlichen Mitgefühl, beschloss sie, dorthin zu gehen, wo das Leid am größten war. Trotz der Gefahren und der Brutalität des Krieges trat Faitája mutig auf die Schlachtfelder. Mit einem kleinen Tross von Helfern und einem Beutel voller Heilkräuter und geringer magischer Artefakte, heilte sie Verwundete und spendete Trost.

Faitájas Anwesenheit wurde schnell bekannt und geschätzt. Soldaten, Zivilisten und Magier gleichermaßen suchten ihre Hilfe. Sie arbeitete unermüdlich, oft Tag und Nacht, und schenkte vielen in ihren letzten Momenten Frieden. Faitája wurde im Dunkel des Krieges zu einem Symbol der Hoffnung und Barmherzigkeit in einer Zeit des Chaos und der Verzweiflung. Mit der Zeit wurden Faitájas Taten an den Feuern erzählt und nach ganz Sarkan getragen. Der Grund hierfür: Sie heilte nicht nur Körper, sondern auch Seelen. Ihre sanfte Stimme und ihre tröstenden Worte gaben den Menschen Kraft und Hoffnung. Überall, wo sie hinging, hinterließ sie Spuren der Heilung und des Friedens.

In den meisten Fällen hatten jene, denen sie half, keine Mittel, um sie zu entlohnen, daher schenkten sie ihr das Kostbarste, was sie besaßen, nämlich die Tränen, die sie vergossen hatten und die Faitája zu stillen im Stande gewesen war. So trug Faitája im Lauf der Zeit mehr und mehr Phiolen bei sich, in denen nicht nur Flüssigkeit, sondern auch Dankbarkeit und Güte enthalten waren. 

Bald schon wurde sie fast wie eine Heilige verehrt. Vielfach kamen Wesen auf sie zu und baten um ihren Segen. Doch trotz all der Verehrung blieb Faitája bescheiden und demütig. Sie betrachtete ihre Gabe als ein Geschenk, das sie mit der Welt teilen musste.

Bis zu dem Moment, in dem sie verschwand, widmete sich Faitája der Heilung und dem Trost. Ihre Legende lebt in den Herzen der Menschen weiter, und ihr Vermächtnis der Sanftmut und der Güte inspiriert auch heute noch Heiler und Helfer auf der ganzen Welt. Geschichten von Faitája der Milden werden weiterhin erzählt, um die Bedeutung von Mitgefühl und Mut in Zeiten des Leids zu betonen.

So bleibt Faitája ein leuchtendes Beispiel dafür, wie ein einzelner Mensch mit einem großen Herzen die Welt verändern kann.