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Tagebuch eines Heilers über die Abtei

3. Herbstmond 

Als ich meine Reise antrat, konnte ich nicht ahnen, welche Konsequenzen sie haben würde. Ich wähnte mich als einfacher Heiler, Feldschärler an der Seite unserer kleinen Expedition, die den Weg nach Süden erkunden sollte. Wir trafen auf die Freischar, eine merkwürdige Gruppe von scheinbar gesetzlosen Gesellen, die sich hier aber sehr gut auskennen und uns so manches Mal vor größerem Übel bewahrt haben. 

Mit ihnen reiste ich zu der Abtei, in deren Bücherstube ich mich versenkte. Ohne Frage ist dort einiges anders als sonst wo in der Welt, denn die sogenannten “Mönche” waren in Wirklichkeit gar keine Geistlichen, sondern Magier! Man hat sie hierher verbannt und ihnen das Habit aufgezwungen und hält sie von der Nutzung ihrer Kräfte ab. Zu ihrem und unser aller Besten, wie ich selbst erleben musste, denn der heimtückische Feind setzte ihre Kräfte frei und gewährte uns so einen Blick auf das, was passieren würde, wenn niemand diese Magier unter Kontrolle hält. 

Magie, alles drehte sich hier um dieses Thema!

Sie fließt hier nicht so ungehindert, wie wir es gewohnt sind und nachdem die Weltenschmiede endgültig im Kataklysmus zugrunde gegangen ist, wird sich das, was hier schon Alltag zu sein scheint, wohl auch auf Mitraspera ereignen. 

Ich stellte fest, dass die Magier in unserer Expedition Schaden nahmen, wann immer sie Magie anwandten. Aber nicht nur sie, auch alles um sie herum wurde geschwächt, beschädigt oder sogar getötet. Während des großen Angriffs der Untoten fielen die Vögel tot vom Himmel! Für mich stellten sich vollkommen neue Aufgaben, die weit über das Verbinden von Wunden hinausgingen. 

Mein erster Forschungsbericht beschreibt die Symptome, ein Heilmittel konnte ich indes zunächst nicht finden. 

Während die Expeditionsteilnehmer mit den Angriffen des Feindes konfrontiert war, blieb ich in der Bibliothek und durchstreifte die Katakomben. Irgendwo hier muss es etwas geben, was mir einen Hinweis auf den Umgang mit dieser neuen Erkrankung gibt! 

Und tatsächlich! Im Keller fand ich das verstaubte Labor einer Alchemistin und Heilerin. 

Von dort stammen die wenigen Erkenntnisse, die ich hier teile. 


4. Herbstmond 

Die Zeit nach der Rückkehr war für mich sehr anstrengend, wusste ich doch das Konvolut der Alchemistin in meinen Taschen. Mit jedem Blatt, das ich las, mit jeder Zeichnung, die ich studierte, wurde mir klar dass das Problem nicht neu ist.

Ich glaube, ich habe heute einen Durchbruch erreicht!

In einer Schrift von einer Alchemistin mit dem seltsamen Namen Kalinka Tannenbaum fand ich einen Hinweis darauf, dass auch sie schon - und die Schriften machen auf mich den Eindruck, als hätte sie schon viele Monde gesehen - mit der magischen Verausgabung konfrontiert war. 

Sie forschte, und hier wurde ich hellhörig, an einer Weiterentwicklung eines Tranks , der mir bekannt ist. In Mitraspera nennt man ihn “Energiefluid” und ihre Gedanken hierzu sind durchaus bemerkenswert. 

In der alten Heimat wird dieser Trank genutzt, um magische Energie, die man für Zauber genutzt hat, zurückzugewinnen. Der Nutzung sind Grenzen gesetzt, das ist jedem Alchemisten und vor allem Zaubernden bekannt, aber er bietet eine wichtige Quelle für neue Energie, wenn sie dringend benötigt wird. 

Kalinka Tannbaum bestätigt in ihren Berichten, was ich während der Kämpfe, die wir an diesem Ort ausfechten mussten, mit eigenen Augen sehen konnte: Das Energiefluid wirkt hier nicht. Ich sah Magiekundige zusammenbrechen, weil sie glaubten, sich mit der Einnahme des Elixirs eue Kraft gegeben zu haben und dann schmerzhaft erfuhren, dass dem nicht so war. Die folgenden Zauber ließen etwas in ihnen zerreißen, auf den Zeichnungen, die ich bei Kalinkas Unterlagen fand, kann man erkennen, dass sie auf der Suche war, was genau das sein könnte. 

DAS ELIXIR!

Hier könnte die Lösung liegen!

Die Unterlagen lagen wohl schon ziemlich lange in den Kellern der Abtei und stammen noch aus einer anderen Zeit, Schierling würde ich nach heutigem Kenntnisstand in keinem Trank mehr verwenden! Kalinka nennt ihn Rubinfarn, aber ihre Zeichnungen, die teilweise bemerkenswert detailliert sind, lassen keinen Zweifel daran, dass es sich um Schierling handelt. Dass dieser auf magische Dinge einen Einfluss hat, ist bekannt, aber das ist Wissen, das nur Hexen verfügen und ich will ehrlich sein, ich bin überzeugt davon, dass man Schierling mit keiner Methode der Welt ungefährlich machen kann. Nichts desto trotz hat Kalinka Fortschritte gemacht, wie sie berichtet. Sie schrieb darüber, dass es ihr gelungen ist, mittels eines Bezhoars die Wirkung des Fluids zumindest teilweise auch unter den neuen Bedingungen zu erreichen. 

EIN BEZHOAR!

Lange habe ich nicht mehr von dieser äußerst raren Ingredienz gehört und ich gestehe, dass ich sie selbst erst einmal in meinem Leben in der Hand gehalten habe. Sie ist unscheinbar, erinnert an eine vertrocknete Dattel, aber der Geruch, de sie verströmt, ist unverwechselbar. In meiner Schreibstube habe ich einen Bezhoar, ein ganz altes Exemplar, das seine Wirkung längst verloren hat, gerade jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, halte ich es in meiner anderen Hand. 

Mit Bezhoaren geht man ein gefährliches Spiel ein. Ihre Wirkung ist mächtig, aber jeder Schritt zu viel, jede unbedachte oder gar gierige Nutzung hat fatale Konsequenzen. Wer ein Mal gesehen hat, was ein Bezhoar mit einem Menschen machen kann, der wird niemals leichtfertig dieses Ingredienz nutzen. Und doch. Im Bezhoar könnte die Antwort auf die Frage liegen, wie man der magischen Verausgabung entgegentreten kann. Wenn ich doch nur einen Händler finden könnte, der mir ein Exemplar verkauft!