Aufzeichnungen von Veet de Fries
Sie sagt, sie sei so müde und wünsche sich eine Heimstatt. Mir ist nicht ganz klar, was sie meint. Sie ist eine Herrscherin, sie kann sich doch ganze Städte zu eigen machen. Stattdessen sucht sie diesen Wald auf, indem wir uns begegnet sind. Und hier blieb sie.
Sie zeigte mir wundersame Dinge. Eine Berührung von ihr ließ eine Blüte aufgehen. Ein Kuss ließ einen Vogel mit gebrochenem Flügel Ruhe finden. Welche wundersame Fähigkeiten die Mora doch haben.
Ich zeigte ihr die Orte im Wald, die mir besonders gefallen. Der kleine Bach mit den glitzernden Steinen und der Wasserminze am Ufer. Den uralten Baum mit tief hängenden Zweigen. Den kleinen Friedhof, den ich als kleiner Junge angelegt hatte. Die Tage waren wie im Flug vergangen. In ihrer Nähe hatte ich die Zeit vergessen und sie musste mich daran erinnern, dass ich etwas essen und trinken musste. Doch es war so gut. Ich würde die Zeit mit ihr nicht missen wollen.
Warum sie mich auserkoren hat weiß ich nicht. Sie sagte, sie hat in meine Seele geschaut. Ich werde mich dieser Ehre würdig erweisen! Ich bin Veet die Fries, ein Kind Ankors, Sohn eines Lairds und nun ein Krieger Ka’Chionres, ihr oberster Wächter und Hüter ihrer Ruhestätte hier vor den Stadtmauern.
Veet de Fries, Kara’Tain des Hrowan-Waldes.
Sie kam aus der Bluttann zurück. Viele Jahrhunderte hatte sie dort mit Silvanus Vergil verbracht. Er, der einst so hoch gelobt wurde. Doch jetzt speit sie seinen Namen nur noch voller Verachtung aus. Die Aarenklamm war früher ein ornithologisches Forschungszentrum. Sogar ich hatte von ihr gehört. Doch nun ist es nur ein Schandfleck in ihren Augen. Was ist dort nur geschehen, dass Ka’Chionre ihre Erbauerin, es nun nicht mehr betreten will? Vielleicht erzählt sie mir eines Tages, was dort in der Heptagesimae geschehen ist.
Der Wald ist wunderschön, seit sie hier ist. Einige Pflanzen, die nun blühen, habe ich vorher nie gesehen. Alles wirkt lebendiger, kräftiger, leuchtender. Es muss an ihr liegen, dass der Wald nun so viel mehr ist. Die Mora sind so besonders, viel mächtiger als ihre Kinder, die Laka’Tain. Und auch an deren Fähigkeiten reiche ich nicht heran. Ich bin kein Gärtner, aber ich bin ihr Wächter!
In der Heptagesimae gab es viele Ouai. Eine aus dem Volk der Laka’Tain,Ula’khorin genannt. Nun nennt sie sich Assula, seit sie eine Ouai ist. Sie ist die schülerin von Siota, einer engen Freundin meiner Herrin. Ka’Chionre befürchtet, dass Assula ihrer Meisterin dazwischen funkt. Sie ist nicht eingeweiht, worin auch immer. Siota sieht den Schmerz on des Verrates in Assulas Augen. Intrige ist nicht Terras Weg.
Wie konnten sie nur? Warum haben die Narech’Tuloch das nur getan? Jetzt schon ein zweites Mal gegen ihre Erschaffer aufzubegehren! Meine Herrin leidet so sehr unter dem Verlust ihres geliebten Abarchas. Es war richtig, dass er sie zu den Boro’Madar geschickt hat. Kein Volk sollte so mit unseren Herrschern umgehen. Dabei wollte er doch Frieden! Ka’Chionre hat für ihn den Stab im Aarenklamm erschaffen, damit er den Stein aus der Clava Tideon aufnehmen kann. Aber dafür hätte sie ihn noch prägen müssen oder so, damit er das kann, was die Clava Tideon konnte. So hat sie erzählt. Aber dann haben sie den Archon vergiftet und nun fehlt er ihr. Sie hat den Stab unvollendet im Aarenklamm gelassen, sagt sie. Sie haben ihr in einer Hülle aus Sturm eingeschlossen, weil er sonst im Boden Wurzeln schlägt.
Ach, ich fühle ihren Schmerz. Sie hat sich zurückgezogen, ich habe sie seit Tagen nicht gesehen. Aber ich höre sie in meinen Gedanken, spüre sie in mir, als wäre sie direkt neben mir. Oder unter mir? Ja, wenn ich die Hand auf den Waldboden lege, die Finger in die Erde grabe, dann wird das Gefühl noch stärker. Ein seltsames Gefühl, vertraut, nah und doch fern, groß, weit endlos. Und dann immer wieder ihr Schrei. Woher kommt er, warum schreit sie? Wo ist sie?
Ich habe an ihrem Lieblingsort einen kleinen Schrein für sie errichtet. Ich denke, sie mag ihn, denn dort blühen nun ihre Blumen. Es gab noch keinen Tag, an dem nicht mindestens eine ihrer Lieblinge dort blühte, selbst jetzt im Winter nicht. Wenn ich dort kniee, kann ich ihren Herzschlag hören. Ganz leise, schwach, aber sie ist da.
Der Krieg ist nah. Sind es die Hohldianer oder kommen sie aus dem Norden? Ich habe den Überblick verloren, wer gegen wen warum Krieg führt. Die Neider aus Aeris Ankor vielleicht. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie versuchen, den Glanz von Terra Ankor zu schmälern. Sie haben es auch schon hier im Wald versucht. Doch sie sind nicht weit gekommen.
Ich habe mir ein Andenken von Ka’Chionre und ihrem Schrein hergestellt und es mit ihrem Herz verbunden. Nun habe ich ihren Herzschlag stets bei mir, auch wenn ich nicht im Wald bin. Sie ist darüber sehr glücklich.
Königin Sahraya kam zu uns in den Wald. Sie ist wunderschön!
Ka’Chionre schreit immer öfter in meinem Kopf. Seit Tagen fühlt sich der Wald anders an. Immer mehr Tiere verenden. Selbst die Lieblingsblumen der Herrin sehen mehr tot als lebendig aus. Ich musste in den letzten Monden so vielen Tieren die letzte Gnade gewähre, konnte nicht länger zusehen, wie sie sich in Todesqualen winden. Königin Sahraya sagte, es liegt daran, dass Terra nicht mehr antwortet, die Smaragdsänger wollen uns nicht mehr, verachten uns. was die Königin spricht, macht Sinn. Sie ist eine weise Frau.
Sie war wieder da, frage nach Ka’Chionre. Sie erkannte wohl in meinen Augen, wie es um meine Herrin steht. Wir sprachen lange miteinander. Sie ist eine kluge Frau, wie meine Herrin. Sie fragte auch nach Silvanus und ob ich etwas über die Forschungen wüsste. Doch was ich erzählte, schie sie nicht zufrieden zu stellen.
Es waren wieder Fremde im Wald. Meine Herrin schrieb und ich zog meine Waffen. Ich wusste, dass sie ihr schaden wollten. Ich wurde stark verwundet und dachte schon, ich würde meine Wacht beenden müssen. Da hörte ich SIE, ihre Stimme. Sie versprach, ich könne auf ewig meiner Herrin treu sein, wenn ich mich auch ihr anschließe. Ich werde den Wald für sie beide bewachen.
An der alten Ulme hat sich eine weitere Familie niedergelassen. Ihr jüngster klettert gerne und viel. Doch er sucht auch immer wieder Streit mit dem Fischersjungen. Ich habe mit ihnen beiden gesprochen. Wenn sie im Wald keinen Frieden wahren, werde ich sie strafen. Ich denke, sie haben verstanden.
Irgendjemand stellt Fallen im Wald auf. Ich werde ihn finden!
Ich habe den Köhlerjungen mit einer Falle erwischt. Er behauptet, es wäre der Fischerjunge gewesen. Der wiederum leugnete es, was soll er mit einer Bärenfalle, wenn er doch Fische fängt. Ach wenn nur Ka’Chionre hier stünde, sie könnte die Jungs befragen. Sie würden sie niemals anlügen.
Es reicht. Ich habe sie beide des Waldes verwiesen. Ihre Streitereien und Streiche habe ich nun viele Jahre geduldet. Ihre Eltern waren nicht glücklich darüber, das konnte ich sehen. Doch ich bin der Kara’Tain des Hrowan-Waldes und sie wissen das.
Seit das grüne Gas aus dem Boden aufsteigt, hat alles an Farbe verloren. Alles wirkt trostloser. Die Pflanzen wachsen noch, doch sie sind matter. Kaum das sie da sich, sind sie auch schon vertrocknet. Ihre Schreie werden immer seltener und leiser, als würde sie schlafen und immer aus einem Alptraum erwachen, nur, um dann das Elend zu sehen und sich wieder in den Schlaf zu weinen. Wie kann ich ihr nur helfen?
Ankor Mortis, wie die Hauptstadt jetzt heißt, versinkt. Das hat der Fischer erzählt. Ich spüre die Erdstöße, doch hätte ich nicht gedacht, dass die Hauptstadt die Ursache sein soll. Der Fischer weiß auch nicht, warum. Der Priester sagte, das liege daran, dass Terra und verlassen habe. Das hat die Königin damals auch schon gesagt. Sie ist wirklich eine sehr weise Frau, unsere Königin.
Immer häufiger schicken sie ihre Lehrlinge, um dieses oder jenes Kraut zu erfragen, suchen nach diesem oder jenen Pilz, Käfer, Würmer, Spinnen, bestimmte Steine. Was machen sie nur mit all den Sachen? Nun, erfüllen die Wünscher ihrer Herren, ohne Frage. Aber seltsam ist das schon.
Eine kleine Gruppe fragte, ob sie auf der Lichtung ein Beet anlegen könnte. Sie wollen besondere Pflanzen ziehen. Ich habe es ihnen gestattet, solange sie den Frieden des Waldes wahren. Ich werde ein Auge auf sie haben. Silvanus hatte auch mit Pflanzen experimentiert, hatte Ka’Chionre einmal erzählt. Aber dabei kam nichts Gutes hervor.
Einer der Feldjungen hat mit merkwürdiges Erz gebracht. Er sagte, dass sein in der Stadt aufgetaucht und explodiert bei Berührung mit anderen Metallen. Zu gefährlich für die Hauptstadt, ich soll es vergraben, wo es nicht explodieren kann
Vor den Mauern ist ein Obelisk aufgetaucht. Seither patrouillieren die Stadtwachen häufiger, trampeln durch unseren Wald. Ich habe ihnen gesagt, dass das nicht nötig ist, aber das interessieren sie nicht. Sie befolgen nur ihre Befehle.
Erst rückt die Armee in der Hauptstadt ein und jetzt kommen auch noch Fremde mit Schiffen. Sie sind keine Ankhorianer. Trotzdem werden sie geduldet. Ein Bote brachte den Befehl. Das kann nichts Gutes bedeuten. Befehl hin oder her, sie sollen es nicht wagen, ihr Leid zuzufügen.
Der Boden hat sich verändert. Das Gas verschwindet ab und zu. Auch Ka’Chione regt sich wieder, ich höre ihr Wimmern. Und da ist eine andere Stimme. Leiser, aber sie kommt näher. Sie fühlt sich gut an, irgendwie vertraut. Kommt sie meiner Herrin zur Hilfe? Sie durchdringt meine Gedanken, wirre Bilder ohne Zusammenhang. Sie brennen auf meiner Haut. Sollte ich der Königin davon berichten?
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