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Tagebuch der Abtei

Seite 3 

Unendliches Leid!

Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Meine Neugierde treibt mich voran, das wird es sein. Ich werde dann unvorsichtig gleich einer Katze, die ihre Nase immer irgendwo reinstecken muss…

Es traf mich wie ein Schlag in die Magengrube und ich denke, den anderen erging es ähnlich. So viel Leid hatte ich noch nie erfahren, so stark, dass es sich nach all der Zeit noch an diesem Ort manifestieren kann.

Rund um die Kristalle konnte es jeder, der nicht total betrunken oder abgestumpft war, wie den schmerzenden Streich eines Schwertes spüren.

Hier ist Leid geschehen, so viel, dass ich nicht weiß, wie ich forschen soll, ohne daran zu zerbrechen!

 

Seite 5

Bis ich diese verdammten Kopfschmerzen wieder los war… ich weiß nicht, mein Magen hat es mir bis heute nicht verziehen, dass ich so viel getrunken habe. Auf dem Weg in die Nebel, dort, wo der Spalt im Eis entstanden ist und wo einstmals die Kristalle den Wall aufrecht erhalten haben, konnte ich es nur aushalten, wenn ich mich fast bis zur Besinnungslosigkeit betrank. 

Ich kann sagen, dass Met niemals mein bevorzugtes Getränk werden wird, es brennt beim übergeben ganz furchtbar im Hals. 

Auch wenn ich mich an Einiges nur wie durch einen Nebel erinnere, es gab eine Kreatur, deren größter Wunsch war es, zu sterben, und ich glaube - sicher bin ich mir nicht - dass ihm diese Bitte gewährt wurde. 

Der Nebel in meinem Kopf lichtete sich ebenso langsam wie der Nebel um uns herum. Auch wenn wir unsere Feinde zunächst einmal schlagen konnten, sie nahmen die Verfolgung auf und letztendlich waren wir die Gejagten… wie ein Ertrinkender sich ans Ufer rettet, so liefen wir auf eine Fackel zu, die uns den Weg wies und stolperten durch ein Tor. Es war Nacht, wir konnten nicht sehen, wo genau wir waren und ich gebe zu, auch der nächste Tag brachte diesbezüglich keine allzu großen Erkenntnisse. 

Was ich sagen kann ist, dass wir in eine Art Abtei kamen, dieser Eindruck verstärkte sich noch, als uns seltsame Mönche in Empfang nahmen. 

In den Mauern der Abtei waren wir einigermaßen sicher, auch wenn die Angriffe der Skargen, die sich zu unseren Feinden gesellt hatten, nicht nachließen. 

Für mich, wieder mit einigermaßen klarem Kopf, eröffneten sich neue Quellen und neue  Erkenntnisse. Wie Recht ich doch hatte! Wir sind Gefangene in einem Käfig, wobei… dieser Käfig aus Gold ist, ohne dass wir es wissen. 

Die Mönche, so stellte sich sehr bald heraus, waren keine Mönche und Stück für Stück schälte sich aus dem, was sie zu berichten hatten, eine Erkenntnis heraus, die mich auf Äußerste alarmierte. Sie alle stammten aus dem Süden, also dem richtigen Süden, also aus einem Land weiter südlich, als je einer von uns war, und sie alle waren gefangen, weil sie Magie genutzt hatten! 

Es waren mächtige Magier, die hier gefangen gehalten wurden. Sie hatten Magie genutzt, ohne darauf zu achten, wer den Preis dafür bezahlt. Manch einer tat dies aus Eitelkeit, um sich über andere zu stellen, manch einer tat es auch mit guter Absicht, das Resultat war für alle gleich: Sie schädigten ihre Umgebung, das Land und sich selbst. 

Und dann stand ein Wort im Raum, das ich zunächst nicht einordnen konnte:

Inquisition!


Seite 6

Inquisition!

Mit Schrecken in der Stimme berichteten die Gefangenen von den Häschern, von den Magiern, die ausziehen, um anderen Magiern ihre Kräfte zu nehmen und sie einzukerkern. 

Während ich gebannt den Geschichten der Eingesperrten lauschte, geschahen merkwürdige Dinge mit ihnen. Ihre Fähigkeiten kehrten zurück. Und nun klangen ihre Geschichten ganz anders. Sie berichteten von grenzenloser Magie und Macht, von der Natur, die sie nach ihrem Willen formten, von Kämpfen und Siegen, von Herrschaft und Unterwerfung. Sie ängstigten mich fast zu Tode, als ich das Glitzern in ihren Augen sah, dass ich bislang nur von jenen bemitleidenswerten Kreaturen kannte, die sich dem blauen Kaninchen zu oft und unbedarft hingegeben haben. 

Trunken von ihren zurückkehrenden Fähigkeiten erzählten sie von einem großen Krieg, den es einst gegeben hatte. Jene, die sie “ihre Vorgänger” nannten und von denen sie mit unendlicher Hochachtung sprachen, hatten dereinst die Macht der Magie genutzt, und so hauchten es mir die Gefangenen voller Ehrfurcht zu “die Welt aus den Angeln zu heben”. 

Sie selbst, so gaben sie kritisch zu, seien nur ein schwaches Abbild der Größe dieser Magier, stets auf der Suche nach einem Weg, so einzigartig und mächtig zu werden wie jene, die sie so verehrten. 

Aber ich hätte sie nicht hier in ihrem Gefängnis angetroffen, wenn alles so verlaufen wäre, wie von diesen großen Magiern geplant. Irgendwer hatte sich ihnen entgegengestellt. Auch wenn dieses Ereignis unzählige Generationen zurückliegen mochte, noch immer waren die Gefangengen fassungslos darüber, dass dieser Widerstand aus den eigenen Reihen gekommen war. 

Und so erfuhr ich, dass es noch eine andere Gruppe Magier gegeben hatte, solche, die verstanden hatten, dass die Nutzung von Mage ihren Preis hat. Immer. 

Diese Magier, die Gefangenen nannten sie verächtlich “die Schwachen”, hatten ihre Brüder und Schwestern zur Rede gestellt und sie aufgefordert, ihrem Tun ein Ende zu machen. Noch heute, so konnte ich erfahren, empfanden die Gefangenen diese Aufforderung als Affront, der nicht wieder gutzumachen ist. Und dann wurden sie einsilbig, gerade, als ich begann zu fragen, was aus diesem Konflikt wurde. Ich weiß nun, dass die Magier, die ihre Macht ausleben wollten, den Krieg verloren und nach Norden flohen. Was aus ihnen wurde, konnte mir niemand sagen, nur eines veränderte sich: Ein undurchdringlicher Eis- und Nebelwall bildete sich im Norden des Kontinents und verhinderte, dass je wieder ein Wesen die nördliche Küste sehen konnte. Ich konnte aus den Gesprächen erfahren, dass alle davon überzeugt sind, dass die mächtigen Magier diese Barriere erschaffen haben, den Grund hierfür reimt sich hingegen jeder irgendwie selbst zusammen. Man habe die Wesen im Süden strafen wollen, sagte einer, denn in einer Welt, in der Magie so strengen Regeln unterliege zu leben, sei eine Strafe für das Aufbegehren gegen diese. Ein anderer meinte, die Magier hätten den Verfolgern einfach nur den Weg abschneiden wollen und da sie so mächtig gewesen seien, einen undurchdringlichen Wall geschaffen. Eine der Gefangenen, Aronia hieß sie glaube ich, sagte, sie glaube, dass die Flüchtenden einen Ort gefunden haben, den sie vor dem Süden schützen wollen, damit nur sie ihn bewohnen könnten. Bei diesen Worten wurde mir innerlich ganz kalt und die Wärme kehrte auch nicht zurück, als ich meine Füße ganz eng ans Feuer schob. 

Fortan war im Süden die ungeregelte Nutzung von Magie untersagt und ein Name tauchte immer wieder auf: Ninive. Diesen Namen spuckten die Gefangenen aus, als habe er einen bitteren Geschmack, der nicht weichen wollte. Sie sei es gewesen, die als erste Jagd auf Magier gemacht hätte, und die Saat der Inquisition gelegt habe. Die Häscher dieser Inquisition jagen wohl bis heute diejenigen, die sich nicht an die Regeln  halten. 

Noch ganz atemlos von dieser neuen Erkenntnis wäre mir fast entgangen, was sich im Keller der Abtei ereignete!

Ein Bote eines alten Schreckens wurde entdeckt. Er hatte eine grausame Botschaft für uns: Ein untoter König sei erwacht! Garvan sammle seine Armee!

Unschlüssig, was ich tun sollte, entschied ich, zunächst einmal wieder zurück in vertraute Lande zu kehren, was soll eine einzelne Frau auch alleine im Eiswall ohne Kenntnis, ob es überhaupt einen Durchgang gibt? Das Wissen, was ich sammeln konnte, war indes ungeheuer belebend und einzigartig. Namen wie Kalinka Tannenbaum hat man sicherlich nicht das letzte Mal gehört. 

Das, was nun jene erwartet, die den Weg nach Süden suchen, ist belebend, neu und gleichermaßen tödlich.