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Die Geschichte Mitrasperas aus Sicht des Untoten Fleisches

Vor dem Weltenbrand war die Welt geordnet. Die Bauer säten und ernteten, die Loyals beschützten die Bauern vor dem Gesindel, das seinen rechten Platz nicht anzuerkennen bereit war. Die Händler sorgten dafür, dass die Früchte eines ehrlichen Tagewerks gerecht verteilt wurden. Die Handwerker schufen das Werkzeug, mit dem Ankors Bildhauer und Maler die große Kunst des Reiches schufen. Dieses wohl gesetzte Ganze wurde von einem gütigen König regiert, der seine schützende Hand über alle Untertanen hielt. Alles änderte sich schlagartig an dem einen Tag, als die Herrin vom Himmel stieg. Die Knochenkönigin offenbarte sich dem Volk von Terra Ankor. Ihr Knochenthron wuchs aus dem Boden der Halle der Könige. Jeder ihrer Schritte von den Stufen herab sang Tod und Wiederauferstehung, ewige Glorie und Macht jenseits aller Vorstellungskraft. Die Adeligen des Kronrats sanken vor ihr auf die Knie, und der König selbst küsste ihre knöcherne Hand, wenn man den Überlieferungen glauben darf. Die Herren des Landes waren es, die zuerst das Geschenk der Knochenkönigin erhielten. Ewiges Leben, das war ihre Gabe. Die Herren Ankors schworen ihr dafür die Treue in Ewigkeit. Das Reich verfiel in freudige Ekstase. Die Fesseln des Todes endlich abwerfen! Das elende Siechen hinter sich lassen! Doch nicht nur die Großzügigkeit der Knochenkönigin, auch der Verschlagenheit der Diener der Ratio war grenzenlos. Ihre versteckten Propheten und Ohrenbläser säuselten das süße Gift des Verrats in die richtigen Ohren, und alsbald hetzten sie die Nachbarreiche Terra Ankors zum Kriege gegen den Emporkömmling.

Armeen prallten aufeinander. Hunderte von tapferen Soldaten erlitten den Tod, und viele ungezählte arme Bauern, deren Höfe unter den mordbrennenden Horden des Feindes ein Ende fanden. Doch sie alle mussten nicht fürchten. Das Geschenk der Knochenkönigin galt auch für sie.

Ihre Seelen erhoben sich über ihre sterblichen Leiber und fanden neue. Und so trugen sie Wort und Glorie in die Reiche der Feinde hinein, die bald vor der Knochenkönigin fielen. Bald neigte der ganze Süden sein untotes Haupt vor der Macht seiner Göttin. Auch andere Reiche waren von der Rede der Ratio verdorben. Es war genug. Die neun Elemente verbündeten sich gegen sie, jagten ihre Anhänger und konstruierten gemeinsam in Siegelstadt das erste der großen Siegel, unter das sie die Ratio einsperrten. Doch deren Saat war längst aufgegangen. Der Reichtum des Untotenreichs war mehr, als es Terra all ihrer neidzerfressenen Eitelkeit ertragen konnte. Schließlich war es Terra, die sich anmaßte, alles Leben zu geben und wieder zu nehmen. Frevel, schrien ihre Anhänger. Alsbald rief sie zum Krieg auf gegen die Reiche von Ankor. Im Norden mobilisierten die Elemente der Ersten Schöpfung ihre Heerscharen und schlossen Bündnisse miteinander. Doch auch die Knochenkönigin blieb nicht untätig. Nacheinander schloss sie Pakte mit dem Imperator des Schwarzen Eises, der sich aus der Knechtschaft der Alten Herrscher befreit hatte, mit der Öligen Pestilenz und sogar der Endlosen Leere. Bald verwüstete Krieg Mitraspera. Heerzüge, wie sie noch nie zuvor gesehen wurden prallten aufeinander, und doch war kein Ende des Schlachtens abzusehen. Da keine Seite die Oberhand zu gewinnen schien, beschlossen die Elemente der Ersten Schöpfung, sich zusammenzutun und den Weltenbrand zu entfesseln. Um den Preis der Zerstörung des alten Mitraspera wollten sie die Zweite Schöpfung knechten, denn was sie nicht ungeteilt besitzen konnten, sollte auch kein anderer haben. In dem Bruchteil eines Augenblicks fegte die geballte Macht der Elemente über das Land und verschlang alles, was schön und gut gewesen war. Die Zweite Schöpfung, zu solcher Grausamkeit nicht fähig, musste ihr Haupt beugen. Der Richtspruch der Sieger war unerbittlich wie das Mittel, das sie zum Sieg gebracht hatte. Die Zweite Schöpfung sollte unter Siegel gesperrt und Mitraspera in ewigen Schlaf gelegt werden, bis dereinst die Nachkommen der Alten Herrscher kämen, die Siegel zu öffnen und das Schicksal Mitrasperas endgültig zu entscheiden. Und so fielen die Seelen der untoten Völker in ewigen Schlaf unter dem Siegel.