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Von den kurzen Wegen Mitrasperas

Aus dem neuen „Reisekompendium“ von Tramon Hadris

Es grüßt Eucht, bei allen vier Himmelsrichtungen, Tramon Hadris, Gelehrter, Forscher und außerordentlicher Weltreisender

Wer schon einmal eine längere Reise gemacht hat, über Land, Wasser, oder am Ende gar durch die Lüfte, der weiß sicher auch ein Lied zu singen von den Strapazen, die zu Weilen eine Reise mit sich bringen kann. Wenn Schnee oder Regen die Gewänder durchweichen, der Sturm einem ins Gesicht bläst, dass man kaum voran kommt, oder aber die Sonnenglut einem erbarmungslos die Haut verbrennt und Hunger, Durst und Müdigkeit an einem zehren, dann beginnt man zu begreifen, dass Reisen eben doch nicht bloß nettes „spazieren und dabei die Wunder der Welten sehen“ ist. Wenn dann noch Krieg ist, in den Landen die man durchwandert, oder die Völker die man trifft grausam und gefährlich sind, spätestens dann wünscht sich wohl jeder, der seinem Ziel zustrebt, dass es eine einfache und schnellere Art gebe dieses zu erreichen. Dieser Wunsch ist vermutlich so alt wie die erste Reise, die überhaupt gemacht wurde. Und viele haben ihn gehabt, nicht bloß Entdecker und Forscher wie wir, sondern auch so mancher Feldherr, Händler und König wünschte (früher wie heute) sich nichts sehnlicher als schnell viele Dinge oder Personen über große Strecken zu bewegen.

Auf Mitraspera gab es gleich zwei machtvolle alte Herrscher, die vor langer Zeit diesen Wunsch auf ihre Arten in Erfüllung gehen ließen. Der eine war der große Horatio Dekundato Khor'Zuhl, ein Herrscher Aeris' der wohl zu den größten Wissenschaftlern, Zauberern und Erfindern aller Zeiten gerechnet werden muss, der andere war Murach Doloch, ein Herrscher Terras, von dem ansonsten wenig Werke bekannt sind. Beide erschufen mit ihren Dienern und Schülern in Jahre oder Jahrhunderter langer Arbeit zwei unabhängige Netzwerke von „kurzen Wegen“, also magischen Stätten, die es erlaubten riesige Strecken schnell und sicher zu überwinden. Das großartige daran ist, das diese Vorrichtungen zum Teil heute noch funktionieren und so auch von Euch, werter Leser, und uns genutzt werden können, wenn man weiß wie. Die beiden Arten sollen nun getrennt beschrieben werden, denn sie sind, wenn in ihrer Funktion doch ähnlich, in ihrer Verwendung und Geschichte recht unterschiedlich.

 

Khor'Zuhls Portale der Luft

Der Traum der schnellen Reise, schneller noch als zu fliegen, war dem Volke Aeris' wohl besonders nah. Der große Khor'Zuhl ersann im Geiste der Freiheit und der Bewegung ein Netzwerk von magischen Toren, die dem Reisenden erlauben, durch ein solches zu treten, und hunderte oder gar tausende von Meilen entfernt aus einem anderen herauszutreten, nur Wimpernschläge später. „Weiße Portale“ nennt man sie denn Schneeweiß sind die hölzernen Rahmen, Pfosten und Panele, aus denen sie Bestehen. Sie sind heute meist nur noch als zwei kristallbewachsene Stelen zu sehen, die mit drei schritt Abstand aus dem Boden ragen. Doch liegt dies wohl nur daran, dass die Portale mit der Zeit im Erdreich versunken sind. Ursprünglich waren sie, wie uns das Elementarvolk der Naldar zu berichten weiß, weiße Bäume, eine heute fast ausgestorbene Art fliegender Pflanzen (oder was auch immer sie waren) die in Wäldern die Himmel bevölkerten. Doch in die Erde gepflanzt, im Wuchs passend geformt, mit Kristallen bestückt und mit machtvollem Zauber versehen, wurden aus ihnen Wunderwerke einer Zeit, deren Überbleibsel und Abglanz uns heute nur staunen lassen können. Über den bogenförmigen Ästen spannt sich, wird das Portal geöffnet, eine kreisförmige silberflimmernder Zone auf. Das Gefüge der Welt scheint vor den Augen des Betrachters zu zerreißen und Bruchstücke der Realität treiben über die Schnittstellen der Wirklichkeit wie Schollen am Rand einer gebrochenen Eisdecke über winterlichen Seen. Wer den Mut aufbringt, hineinzutreten, tritt aus einem anderen Portal hinaus, das mit dem ersten verbunden ist.
In alter Zeit gab es viele solcher Tore, heute sind es nur noch eine Hand voll.
Wie genau man sie aufstößt, wo es hinführt und wie man das Zielportal bestimmt sind (leider) von den Naldar wohl gehütete Geheimnisse. Wer schnell reisen will, sollte sich also gut mit jenem stolzen Volke stellen.
So fantastisch die Möglichkeiten der Portale auch sein mögen, ihre Geschichte ist düster, wie die Alten erzählen. Der Erschaffer der Leere korrumpierte viele von ihnen einst, nach dem Geflüster verbotenen Schriften, missbrauchte er sie gar um die Negation selbst zu erschaffen und die welt an den Rand des Abgrundes zu führen.
Noch heute sind manche der Vorrichtungen durch die Leere verseucht und führen nicht zu anderen Portalen, sondern direkt in die Leere. Doch soll es Mittel und Wege geben solche Verseuchungen zu heilen. Leicht zu erkennen sind funktionsfähige Portale durch die blauen Kristalle, während durch Leere verseuchte eine grüne Farbe aufweisen. Außerdem ist im Umkreis von zehn Schritt kein Atemzug möglich…

 

Murach Dolochs Tunnel Terras

Erstaunlich, das auch Herrscher Terras auf ihre Weise die schnelle Reise erfanden, jedoch ganz anders als die Kinder Aeris': Im Fall der Erdabkömlinge verwirklichte in alter Zeit ein Herrscher mit Namen „Murach Doloch“ ein Netzwerk von „kurzen Wegen,“ also Tunneln, durch die man zwar nur ein paar Stunden unter der Erde reisen muss, am anderen Ende jedoch hunderte Von Meilen entfernt vom Eingang wieder ans Licht des Tages tritt. „Tunnel Terras“ werden jene Gänge genannt, die ein unterirdisches Labyrinth bilden. Dieses umfasst eine Unzahl an Höhlen, Gängen, Kavernen, Stollen und Tunneln, die teilweise auch natürlichen Ursprungs zu sein scheinen, und die wohl niemand in ihrer Gänze kennt. Manche wurde wohl auch zu anderen Zwecken angelegt, und so kann man in den Tiefen Mitrasperas so manche überraschende Begegnung haben, wie zum Beispiel mit dem Volk der Boro-Madar, Dunkelelfen oder gar den abtrünnigen Ouai, die sich Kell'Goron nennen. Grade die letzten scheinen eine besondere Beziehung zu den Tunneln Terras zu haben; man munkelt nämlich, dass der Meisterschüler Murach Dolochs, ein gewisser „Beandar Morochtich“, selbst einst Ouai war und später zu den Kell'Goron überlief. Es gibt einige verwirrende Geschichten voller Verrat und Betrug um jene beiden, doch fest scheint zu stehen, dass Murach Doloch am Ende mitsamt seinem Schüler in den Höhlen den Tod fand. Als Wächter über sein Werk ersannen die Erbauer der Tunnel das Amt der „Malaka'Re“, von der es immer nur eine gibt, zu der aber im Laufe der Zeit eine lange Reihe von Nachfolgerinnen entstand, da in der Zeit des Kriegs wider die Verfemten, die tiefen Reiche auch Schauplatz der Kämpfe waren und so manche Malaka'Re nur kurz im Amt war. Wichtig zu wissen ist, dass um den magischen Effekt der Tunnel zu aktivieren, man diese durch eine „Pforte Terras“ betreten muss. Diese Pforten Terras sind spezielle magisch geweihte Eingänge, die nur durch eine Malaka'Re geöffnet und aktiviert werden können. Wenn man das Tunnelnetzwerk durch einen anderen Zugang beträte, (oder selbst einen grübe) so würde man unter Tage nicht schneller reisen als an der Oberfläche. Betritt man die Pforte mit einem angesagten Ziel, so findet man in den Tiefen stets auf mystische Art den schnellen Weg zur Zielpforte. Vielleicht kann sogar jeder beliebige Tunnel unterhalb Mythodeas irgendwie, zeitweise oder ständig zum Teil der Tunnel Terras werden. Wer versteht schon die Magie der Alten Herrscher? Man sollte nur hoffen, das am Ziel die Pforte auch geöffnet, oder der Ausgang zumindest frei ist, denn wer unter der Erde umkehren muss, den verlässt Murach Dolochs Zauber der schnellen Reise… Jene Pforten Terras sind wie auch die Portale Aeris' teilweise heiß umkämpfte Stätten, erlauben sie es doch ganze Armeen schnell von einem Ort zum anderen zu schicken.
Seit einigen Jahre werden die Tunnel wieder verwendet und eine neue Malaka'Re wurde bestimmt, ein eigenartiges, leicht verrücktes aber gutartiges Rattenwesen namens „Skarr“. Wer die Tunnel benutzen möchte, sollte diese Skarr oder zumindest die angehörigen des Elementarvolks der Boro-Madar um Rat und Erlaubnis fragen.
Es verabschiedet sich, bei allen vier Himmelsrichtungen, Tramon Hadris, Gelehrter, Forscher und außerordentlicher Weltreisender

(Dieser Text ist eine Abschrift aus der ursprünglichen Wanderbibliothek der Ouai)