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Von Argus

Jede Legende hat ihre Helden und ihr Schurken.
Die einen könnte auch garnnicht sein ohne die anderen.
Bemerkenswert daran: Erst nachdem alle großen Taten, Kriege und Schlachten vollbracht oder gekämpft sind, und die Sieger fest stehen, entscheidet sich wer denn Held und wer Schurke gewesen ist. Geschichte schreiben immer nur die Sieger. Wer war der gnadenlose Mörder, wer der tapfere Krieger? Wer war der Weise und Weitsichtige, wer der verblendete Narr? Wer war der Gerechte, wer war der Verbrecher? Es macht, will man die Dinge wahrhaft objektiv beschauen, keinen Sinn die handelnden Personen im Vorfeld einzuteilen, solange der Kampf noch nicht entschieden ist. Sprechen wir also sodann von den „Tätigen“, denn dies sind sowohl Helden, als auch Schurken.

Einer der Tätigsten auf Mitraspera ist sicherlich ein Mann dessen Name jedem Kind auf diesem Kontinent bekannt sein dürfte: Fileas Strongbow. Der Sharun'Ar. Argus.
Dies ist seine Geschichte.

Nach allem was man weiß, wurde Fileas Strongbow in den Mittellanden geboren, verlor jedoch schon in Säuglingstagen seine Eltern in einem Feuer, in dem das Familienheim niederbrannte. Wie durch ein Wunder überlebten Fileas und seine Schwester Elisabeth. Sie wuchsen fortan bei Pflegeeltern auf, den „Verins“.
Fileas zeigte schon als Kind große Begeisterung für Strategien und Schlachten. Sein Wesen war freundlich, seine Kraft erstaunlich, sein Verstand brillant. Schon in jungen Jahren zog es ihn in die weite Welt und so brach er mit Paolo Armatio (einem Kapitän der damals als verrückt und tollkühn und heute als Held gilt) zu einer großen Entdeckungsfahrt auf. Fileas war Paolos erster Maat und gemeinsam entdeckten sie den verschollenen Kontinent Mythodea, nach vielen Mühsalen und Strapatzen. Ob es wirklich Zufall war, oder ein höherer Wille dahinter stand, dass grade diese beiden Männer das Land der Elemente fanden, sei dahingestellt.

Paolo gedachte Auswanderer nach Mythodea zu bringen und den Kontinent zu besiedeln. Doch die uralte Bürde der Ahnen der Siedler, die Verfemten, erwartete sie und unter den Siegeln, die als Bedingung für die Inbesitznahme des Landes geöffnet werden mussten.
Das schwarze Eis wurde als erstes befreit, im Osten, nah dem Landeplatz der Siedler. Und Fileas war der erste Siedler, der durch die schwarze Essenz, deren Gefahren damals völlig unbekannt waren, assimiliert wurde.
Doch während gewöhnlich eine Seele sich rasch in der Essenz auflöst, und im Kollektiv des Kontinuums vergeht, hatte Fileas' Bestand!

Kein anderer Sterblicher vor oder nach ihm, selbst der Erschaffer des Schwarzen Eises selbst, hatte je der Essenz getrotzt. Doch Fileas wurde nicht vernichtet, sondern auf seltsame, schwer zu begreifende Art ein Teil der Essenz, doch bei bestehender Person und freiem Willen. So fiel das Interesse des Schwarzen Eises auf ihn und er wurde erhoben zum Anführer der Truppen der Perfektion. Von diesem Tag an nannte man ihn den „Sharun'Ar“. Als Heerführer der Feinde der Siedler machte er diesen das Leben auf den neuen Kontinent schwer. Warum er den Krieg suchte und was seine wirklichen Pläne waren, ist bis heute rätselhaft.
Die Zeit verging, die Siedler schritten voran, Leere und Pestilenz wurden befreit.

Als gäbe es keine Gefahr, verbündete sich Fileas sogleich mit diesen beiden Verfemten, denn weder Negation, noch Krankheit waren in der Lage ihn zu töten oder zu verschlingen. Seine Stärke stieg und er wurde zu einem Alptraum für die Siedler, die den sakralen Elementen dienten. Vielleicht unterwarf er die Verfemten sogar, denn durch Intriege und Verrat gelang es ihm den Imperator des Schwarzen Eises zu stürzen. Die Verfemten, die Tod und Vernichtung für jeden anderen bedeuteten, schienen für Fileas Strongbow nur Spielzeuge oder Mittel zur Macht zu sein. Er war zu jener Zeit der, der die Verfemten einte und gegen die Siedler führte. Und niemand weiß bis heute warum. Doch es waren gewaltige Taten, die er vollbrachte.

Dann jedoch traf ihn die „weiße Flamme“, jene Waffe die bei der Schlacht von Shan-Meng-Ray große Teile des Schwarzen Eises vernichtete. Die Flamme muss ihn bis auf den Grund seiner Seele verbrannt und jede verfemte Essenz in ihm ausgelöscht haben. Doch Fileas Strongbow bestand!

In den Jahren darauf kam er als „Argus“, der Heermeister des Untoten Fleisches wie ein Sturm der Rache über die Siedler. Man sagt, er habe der Knochenkönigin sein Herz geschenkt, doch auch ihr gelang es nicht, seine Seele durch den Nechaton, die Kraft des Untodes, zu verzehren oder zu versklaven. Vor der Festung Doerchgard schlug Fileas die Siedlerarmeen zurück. Auch hatte er sich großes Wissen angeeignet, denn an jener Stelle wartete er mit einer eigens von ihm erbauten Variante eines Siegels auf, durch das Terras Avatar gebannt wurde.

Die Siedler auf den Versen eilte er mit den Armeen der Verfemten nach Siegelstatt vorraus wo er neben dem untoten Fleisch nun auch noch einen neuen Pakt mit dem Amon Karr, der höchsten Personifikation des Schwarzen Eises schloss. Obwohl Fileas nun die Macht von allen vier Verfemten in sich einte, unterlag er der Macht des Xerikans, einer mächtigen Maschine der Herrscher, die die Siedler führten, und sein Körper wurde zerschlagen. Doch Fileas Strongbow bestand.

Während die Siedler mit ihrer neuen Waffe abermals Doerchgard belagerten und ihren Avatar befreiten, zog Fileas heimlich nach As'Shan, der alten Stadt der Eisernen, in der sich der einzige Zugang zum Siegel Ratios, des Weltenzweifels, befand um den Zugang und vielleicht auch das Siegel in Besitz zu nehmen. Manche behaupten, dass die Einkerkerung des Avatars von Terra durch Fileas nur dazu diente ihm Zeit zu verschaffen, um seine düsteren, unbekannten Pläne mit Ratio zu vollenden. Doch wer weiß schon was in Fileas Kopf vor sich geht? Streben doch die Verfemten danach, das letzte verbleibende Siegel geschlossen zu halten.

Vor As'Shan jedoch wurde Fileas Siegeszug gebremst, denn weder gelang es ihm den Willen der Wächter des Tors zum Ratiosiegel zu brechen, noch das Tor zu öffnen, bis die Siedler eintrafen und in gewaltigen Schlachten die Stätten in Besitz nahmen. Gaheris, der Wächter über As'Shan und das Tor war durch Argus gefoltet worden, der ihn dazu zu zwingen wollte es zu öffnen, und sann nun auf Rache. Um seinen Peiniger entgültig zu vernichten, opferte er zwölf Siedler, die ihr Leben freiwillig dafür gaben, denn auch den Siedlern war inzwischen fast jedes Mittel recht um den verhassten Feind Fileas Strongbow zu vernichten. Die Macht Gaheris' vernichtete Argus, zerschnitt seinen Leib und seine Seele, verstreute seine Existenz auf jeder denkbaren Ebene. Doch als schon der Siegesjubel ertönte, erhob sich Fileas Strongbow, erstand vor allen Augen auf, und lebte wieder.

Welches gewaltige Rätsel umgibt ihn, wie kann einer der schon so oft hätte sterben müssen einfach den Tod verleugnen und immer wieder leben? Wie kann ein Sterblicher sich die verfemten Schöpfungen zum Werkzeug machen, die in der Vergangenheit um ein Haar eine ganze Welt in den Abgrund rissen?

Und was sind seine Pläne? Trotz der Niederlage war es Fileas Strongbow, der schlussendlich als erster das „Eherne Tor“ zum ersten Siegel durchschritt. Es war Verrat im Spiel, doch warum?
Auch spricht man von der Erscheinung einer Herrscherin der Magie aus alter Zeit mit Namen „Estaher de vo Canar“ die sich einigen Siedlern offenbart, Fileas Strongbow als ihren Sohn bezeichnet, und etwas vom Fluch der Edlaphi gesagt haben soll.

Wer oder was Fileas Strongbow ist, was seine Pläne sind, und für wen er eigentlich wirklich handelt, wird sich wohl erst gänzlich erkennen lassen wenn alles vorüber ist, denn am ersten Siegel wartet sein Schicksal und das von ganz Mythodea. Und vielleicht wird man dann auch sagen können, was man immer erst ganz am Ende über jemanden der viel getan hat sagen kann: Held oder Schurke?

(Dieser Text ist eine Abschrift aus der ursprünglichen Wanderbibliothek der Ouai)