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Text an dritter Kultstätte gefunden

(von unten kommend)

Mein Mann Rafi glaubte nicht an geschriebenes Wort und dennoch sind diese Worte sein letzter Wunsch. Während sich unser Heiler Amaro um den Funken kümmerte, waren Rafi und ich dazu bestimmt worden, den Herzschlag des Waldes zu finden. Rafi ist im Wald aufgewachsen, darum sah er es als eine Ehre an. Ehrenvoll und pflichtbewusst, so war er.

Zuerst führte er uns in den verdorbenen Wald, dort lauschte er an einem Ort der Macht.

Ich verstehe wenig von Druidenwerk, aber ich spürte, wie seine Macht vorsichtig nach dem Leben des kranken Waldes suchte. Ein krankes Herz wie dieses schlägt lauter. Seinen Takt zu kennen wird mir helfen, die Harmonie des gesunden Herzens zu erfühlen, sagte er, nachdem ich den ersten Späher des Feindes gesehen hatte, und ihn anflehte, doch umzukehren. Wir hatten Glück und konnten im Schutz der Nacht wieder in die Sicherheit unseres kleinen Lagers flüchten.

Am nächsten Morgen sagte Rafi, er habe vom Wald geträumt. Er habe den Herzschlag gehört und könne nun danach suchen. Aber Rafi wäre nicht Rafi, wenn er dazu nicht irgendein Gebräu zu sich nehmen würde. “Die Drogen helfen mir, meinen Geist zu erweitern. Ich höre und sehe, was du nicht kannst. Ich kann nicht glauben, dass er fort ist.”

Rafi lauschte und folgte dem, was er zu hören schien. Schließlich schien er einen Ort gefunden zu haben, und forderte mich auf, seine Trommel zu holen, “Damit du auch hören kannst“. Er wollte mich daran teilhaben. Und er hatte schon eine Idee, wie wir den Herzschlag transportieren könnten.

Als wir zum Lager zurückkehrten, waren dort bereits die Feinde gewesen. Wir fanden Amaro hinterrücks erstochen vor. Vornüber auf Treya liegend, der ein Pfeil aus dem Hals ragte. Er wollte sich um unsere tapfere Kriegerin kümmern. Rafi hörte etwas, drückte mir mein Schreibzeug in die Hand und sagte die Worte, die nun in meinem Kopf wiederhallen: „Lauf, schreib auf, was wir getan haben. Es werden andere kommen, und sie werden den Wald retten. Sie können den Herzschlag nicht fassen, nur hören. Doch den Takt können sie weitergeben. Trommeln, Rufe, Klatschen. So erreichen sie den oberen Wald. Für den Wald, Für Mitraspera!“

Keine Zeit für „Ich liebe dich“, kein Kuss zum Abschied. Hinter mir hörte ich die Schritte der Feinde und sein wuterfülltes Gebrüll, und dann die plötzliche Stille. Nun sitze ich hier, verloren im Unterholz, im letzten Licht des Tages. Ich weiß, meine Stunden sind gezählt. Wenn mich nicht die Feinde erwischen, dann die Kälte oder wilde Tiere. Doch Rafis letzten Wunsch erfülle ich ihm. Für den Wald, für Mitraspera. 


Gezeichnet: Alec Misura, Abenteurer und Chronist im Zeitalter der Sterblichen.