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Briefwechsel Garvan und Fortingas

Diese Briefe sind aus alter Zeit und geschrieben worden, als Garvan noch nicht untot war.


“Mein Freund Garvan, mit Feder und Tinte in der Hand, vermag ich meine Gedanken Euch zu übermitteln, wenngleich Briefe mir selten zur Pflicht werden. Die Wenigen, die ich als Freunde und Familie betrachte, sind stets in meiner Nähe zu finden, doch Eure Abwesenheit weckt in mir eine Sehnsucht, die mich dazu treibt, diese Worte zu Papier zu bringen. Ich denke noch oft an jenen Abend auf dem Turm der Bibliothek und an unsere Unterhaltung, die bis zum Morgengrauen reichte. Einst hegte ich den Gedanken, Ihr wäret ein stolzer Schnösel aus königlichem Geblüt und hätte nie erwartet, dass wir einander in unseren Interessen finden würden. Man riet mir sogar, Euch zu meiden. Vielleicht war es aber ein Wink Terras selbst, dass wir an jenem Abend die Einzigen in den heiligen Bücherhallen waren, so vertieft in unser Studium, dass wir gar nicht merkten, dass der Bibliothekar die Tore verschloss. Wer von uns beiden zuerst den Gedanken an den Aufstieg aufs Dach hegte, vermag ich nicht mehr zu sagen. Vielleicht war es die Sehnsucht nach frischer Luft, nachdem wir stundenlang verstaubte Schriften durchforsteten. Doch ich werde nie vergessen, wie Ihr das Thema des ewigen Lebens aufbrachtet, mit solcher unverhohlener Begeisterung von Terra und dem Kreislauf sprachet. Habt ihr erkannt, dass wir Gleichgesinnte sind? Dass ich nicht erschrocken das Thema wechsle, wenn die Grenzen von Leben und Tod zur Sprache kommen? Möge meine Offenheit Euch zeigen, dass auch ich an diesem Thema mehr als nur Interesse hege und keinerlei Furcht vor akademischer Ächtung verspüre. Ihr seid nun seit einigen Tagen nicht mehr in den Vorlesungen erschienen und man sagt, es liege an Euren Verpflichtungen. Ich verstehe, dass Ihr selbstredend Besseres zu tun habt, als Euch mit mir zu unterhalten - ich komme aus einer guten Familie und werde wohl sehr schnell die militärischen Ränge aufsteigen, aber königlich bin ich wahrlich nicht. Dennoch möchte ein kleiner Teil in mir hoffen, dass Ihr unsere Unterhaltung genossen habt und einer Wiederholung nichts entgegensteht - und dass dies vielleicht ein Brief von vielen sein wird, der eine wunderbare Freundschaft einleitet.

Ich verbleibe mit ehrenvollem Gruße

Euer Freund, Fortingas."



“Garvan mein Freund,


ich gehe ungern im Streit auseinander, aber es lässt sich nicht verhindern, dass ich abreisen muss, ehe wir uns wiedersehen. Die Tür des Schlafgemachs war noch immer verschlossen, als ich heute morgen an sie herantrat. Du lagst also entweder noch tief im Schlummer, oder wolltest mich schlicht nicht sehen. Trotz des Stechens in meinem Herzen nehme ich das schweigend zur Kenntnis. Hiermit hinterlasse ich Dir jedoch diese Botschaft, in der Hoffnung, dass sie die Wogen unseres Streits von gestern glätten. Nicht allein, weil ich glaube, dass unser Geist noch immer im Einklang wiegt, sondern auch aus Furcht, dass meine bevorstehende Abwesenheit auf der militärischen Expedition in den Norden jeglichen Briefverkehr zwischen uns versiegen lässt. Sollten wir uns nicht vertragen - ein düsteres Schicksal, das mir mehr Bangen verleiht, als die Aussicht auf Schlachten und Krieg! In erster Linie sei mir erlaubt, meine Reue zu bekunden. Ja, Du liest wahrhaftig, hier niedergeschrieben auf Pergament für die Ewigkeit. Ich entschuldige mich für die Härte meiner Worte, die ich gestern fand. Ich kenne Deine Schwächen zu genau und habe sie ungnädig ausgekostet. Vielleicht war es die Furcht vor der bevorstehenden Expedition. Vielleicht hast auch Du einen wunden Punkt bei mir getroffen. Was es auch sei, ich bereute meine Worte im selben Augenblick, da sie mich verließen. Das solltest Du wissen. Bei aller Demut halte ich jedoch unbeirrt an meiner Überzeugung fest. Die Kunst der Nekromantik bleibt für mich nicht die Antwort auf das Geheimnis des ewigen Lebens. Vielmehr liegt dieses Geheimnis im Schoß unserer geliebten Terra selbst - doch habe ich Dir meine Position hinlänglich erläutert und sehe ein, dass ich Dich wohl kaum von meinen Ansichten überzeugen werde. Dennoch möge gewiss sein, dass dieser Disput nichts an meiner Zuneigung und Hochachtung Dir gegenüber ändert. Unterschiedliche Meinungen zu hegen ist uns gestattet, solange unsere Einigkeit bei den großen Angelegenheiten Bestand hat. Und zweifle nicht daran, dass ich stets an Deiner Seite stehe. Nur hin und wieder hege ich Sorge um Dich, wenn Du Dich nächtelang in den Studien der Nekromantik verlierst - doch vielleicht ergeht es Dir ebenso, wenn ich tagelang von Terras Herrlichkeit schwärme. Garvan, mein Freund, mein Anker, mein König, verzeih mir, schreibe mir.

Auf baldiges Wiedersehen. In Liebe und Ehrerbietung

Dein Fortingas.”


​​„Mein lieber Fortingas,

Deine Worte erreichen mich in düsteren Zeiten, in denen die Schatten der Vergangenheit unsere Gedanken umschlingen und uns in eine Welt des Zweifels führen. Deine Besorgnis um meine Gedanken und die Unruhe in Deinem Ton sind wie ein eisiger Wind, der durch meine Knochen fährt und meine Seele erzittern lässt. Die Unendlichkeit, von der du sprichst, ist ein wahrhaft gefährliches Gefilde. Ein Reich das nur den Wagemutigsten vorbehalten ist. Doch selbst die mutigsten Seelen können sich darin verlieren, wie ein Wanderer in den Nebeln der Vergessenheit. Ich warne Dich mein Freund, halte Dich fern von diesen Abgründen! Denn ihre Lockrufe sind betörend, aber ihr Preis ist hoch. Das musste ich schon selbst mehrere Male am eigenen Leib erfahren. Diese Sahraya, diese geheimnisvolle Gestalt, von der die Gerüchte flüstern, sie sei eine uralte Macht, geboren aus den Schatten der Anfänge. Ihre Anhänger huldigen ihr mit einer Ehrfurcht, die den Göttern zusteht. Doch ihre Absichten bleiben im Dunkeln verborgen. Ich frage mich welche finsteren Fäden sie spinnt. Und welche Geheimnisse sie verbirgt. Die Zwietracht, die den Rat zerreißt, ist ein Zeichen für die Unruhe, die diese Zeiten durchdringt. Die Diskussionen, die in den nächtlichen Sitzungen geführt werden, tragen den Gestank des Verrats und der Verderbnis. Wie stehen an einem Scheideweg mein Freund. Und unsere Entscheidungen werden das Schicksal unserer Welt besiegeln. Ich als König von Terra Ankor werde mit starker Hand durchgreifen. Ich kann und werde nicht zulassen, dass meine Pläne durchkreuzt werden. Du allein weißt um meinen großen Plan. Alle anderen kritisieren an Dingen, die sie nicht verstehen. Doch in Deinen Briefen spüre ich eine Veränderung, eine düstere Metamorphose, die mich erschaudern lässt. Du, der einst fester im Glauben war als ich, sprichst nun von ewigem Leben und den dunklen Künsten der Nekromantie. Was hat dich so weit gebracht mein Freund? Welche Abgründe hast du erforscht, um deine Seele in diese Dunkelheit zu stürzen? Ich beschwöre Dich, kehre zurück zur Vernunft, bevor es zu spät ist! Die Grenzen der Nekromantie sind dünn und zerbrechlich, das weiß niemand besser als ich. Und die Mächte, die wir beschwören sind gefährlicher als wir es und vorstellen können. Möge, das Licht der Vernunft Deine Seele erleuchten und Dich aus den Schatten führen, bevor sie dich verschlingen. Folge dieser Nekromantin, dieser Sahraya nicht!

In Sorge und Treue,

Garvan“



“Mein lieber Freund,


Deine Worte haben mich erreicht wie das Flüstern der Schatten in der dunkelsten Stunde der Nacht. Deine Besorgnis um meinen Weg und Deine Warnungen vor Pforten der Unendlichkeit haben mich erreicht. Doch Deine Sorge ist unbegründet, denn ich kenne meine Grenzen nur zu gut. Du sprichst von jener Sahraya, dieser geheimnisvollen Person. Ich will das Wort Göttin, das so leichtfertig im Zusammenhang mit ihr gebraucht wird, vermeiden, deren Anhänger sie mit solcher Hingabe verehren. Sie ist ein Rätsel, das Dunkelheit umgibt, Ihre Wurzeln reichen tief in die Vergangenheit durch die Schleier der Zeit und ich spüre durchaus das Kribbeln des Unbekannten, das mich zu ihr hinzieht. Du weisst um mein Streben, meine mir selbst gestellte Aufgabe, den Tod zu besiegen. Trotz aller Opfer ist es mir nicht gelungen, mehr als willenlose Puppen zu erschaffen. Umso neugieriger werde ich, wenn davon die Rede ist, dass sie über eine solche Macht verfügen könnte. Aber das haben vor ihr schon einige behauptet. Deshalb gebe ich nicht allzu viel auf das, was man sagt. Die Uneinigkeit im Rat und die Diskussionen über den Kult der Sahraya sind nur ein Echo der Unruhe, die unsere Welt umgibt. Doch inmitten dieser Stürme bleibt mein Glaube unerschütterlich, mein Wille stark wie Eisen, geschmiedet in den Feuern der Dunkelheit. Nicht umsonst habe ich all mein Schaffen der Erforschung der Nekromantie gewidmet. Und auch wenn mir bislang der endgültige Erfolg, das höchste Ziel, verwehrt blieb, so bin ich ihm schon zum Greifen nahe. Deine Worte des Zweifels und der Besorgnis, mein Freund, sind wie ein kalter Hauch auf meiner Haut, doch sie vermögen nicht das Feuer meines Willens zu löschen. Meine Forschungen in der Nekromantie haben mich weit geführt. Tiefer als je zuvor und ich habe die Grenzen des Möglichen gestreift. Doch ich bin nicht verloren in den Abgründen, die ich erforscht habe. Deine Mahnung zur Vernunft nehme ich zur Kenntnis. Doch ich fürchte, sie kommt zu spät. Mein Weg ist bereits gewählt. Und ich werde ihn bis zum Ende gehen, mag er auch durch die Tiefen der Dunkelheit führen. Möge das Licht, das Du beschwörst, Dein Wegweiser sein. Denn ich habe mich längst den Schatten verschrieben.

In dunkler Treue, Garvan.”



“Mein lieber Fortingas, 

es ist geschehen, ich, der Zweifler, ich, der größte lebende Nekromant seiner Zeit, hat seine Meisterin, seine Göttin gefunden und sie hat mich gesegnet. Ich weiß nicht, wo du gerade bist, aber nichts wäre mir lieber gewesen, als dich an meiner Seite zu wissen in diesem unvergleichlichen Moment. Doch ich habe beunruhigend lange nichts von dir gehört. Ich gebe zu, dass meine Neugierde kaum zu bändigen war. Aber die Unruhen im Reich und meine Pflichten als König meines Volkes ließen nicht zu, dass ich wie ein unbekümmerter Junge dem Eintreffen dieser Sahraya entgegenfieberte. Und so war ich kaum vorbereitet auf das, was geschehen sollte. Fortingas, du weißt, dass ich nie an mir gezweifelt habe. Mein Weg liegt vor mir, es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich mein Ziel erreichen werde. So glaubte ich zumindest, und dann trat sie in meinen Saal und schritt auf mich zu. Alleine ihr Anblick und ihre Aura voll unvorstellbarer nekromantischer Kraft ließ mich erzittern und die Erkenntnis, dass ich eine Göttin der Dunkelheit vor mir hatte, traf mich wie ein Blitz. Augenblicklich verstand ich deine Faszination, deine Überzeugung, die aus deinen Briefen sprach und denen ich so unwissend widersprach. Ich muss von meinem Thron gerutscht sein, denn das nächste an das ich mich erinnere ist, dass sie auf meinem Platz saß, ihre Augen ruhig im Saal umherschweifen ließ, dann ihren Blick auf mich richtete und mir ihre Hand hinhielt, auf dass ich sie in Demut küssen möge. So viele Gedanken schwirren durch meinen Kopf, jetzt wo alles geschehen ist. In diesem Moment war dann nur die Erkenntnis um die Bedeutung dieser Situation. Kurz schoss mir der Gedanke durch den Kopf, was meine Unterwerfung ihren Willen bedeuten möge. Welche Konsequenzen es haben könnte, aber tief in meinem Inneren war mir klar, dass ich es mit einer Macht zu tun hatte, gegen die ich ohnehin nichts ausrichten könnte. Sie bot mir ihre Hand und ich nahm sie voller Demut und küsste sie. Ich wurde ihres Segens gewahr und spürte wie die Sterblichkeit mich verließ wie ein düsterer Fluch. Mit anderen Augen sah ich die Welt, als ich mich erhob. Alle im Thronsaal sanken zu Boden und bewegten sich demütig auf sie, die Göttin, Königin der Könige zu. Auch sie erhielten ihren Segen und ich bin umgeben von meinem Volk, dass etwas erhalten was ich ihm möglicherweise trotz meiner großen Kraft und Kenntnis nicht hätte geben können. Ich kann von ihr lernen. Ich will von ihr lernen, denn auch, wenn ich ihr ergebener Diener bin, der König von Ankoria bin ich allein. 

bis auf weiteres, 

Dein Freund Garvan”



“In Eile Fortingas. Deine Abwesenheit ist ein Stich in meinem Fleisch. Eine Leere, die sich ausbreitet und meine Geduld auf eine harte Probe stellt. Die Zeit, die ich einst verachtete, wird zur Quelle meiner Ungeduld, während ich auf Deine Ankunft warte. Doch während ich mich hier quäle, verbreitet sich der Segen meiner Göttin wie eine segenbringende Wolke über das Land. Das Geschenk, das sie uns macht, ist unvorstellbar und ich frage mich, ob auch Du diese Berührung der Ewigkeit gespürt hast. Die Möglichkeiten, die sich uns eröffnen, sind endlos und ich bin entschlossen, davon zu erkunden. Ich halte mich eng an ihrer Seite. Meine Neugierde lodert wie ein offenes Feuer. In ihr Wissen eindringen, ihre Geheimnisse ergründen und mich an ihrer Macht laben. Doch sie ist keine zärtliche Mutter, die uns auf den Schoß nimmt, sondern eine Herrscherin, derem Willen wir uns beugen müssen. Es widerstrebt mir zutiefst, mich ihr bedingungslos zu unterwerfen. Ich spüre den Hunger nach Macht, den Durst nach Wissen und ich werde nicht ruhen, bis ich meinen Platz neben ihr einnehme auf den Thron der Unsterblichkeit. Sie mag eine Göttin sein, aber ich bin kein Jünger, der sich ohne Widerstand beugt. Ich bin ein Wissender. Der größte Nekromant-König, den Mitraspera je gesehen hat und meine Ambitionen reichen weiter als die Sterne am Himmel. Das wird auch sie irgendwann erkennen müssen. Du fehlst, Garvan.”


“Mein Freund, ich hörte von der Schlacht in der Hohld und davon, dass Du mit Deinen Truppen ein Teil der Befreier gewesen bist. Auch dort wird die Segnung unserer Göttin, unserer Königin, zu spüren gewesen sein und ich blicke Deiner Rückkehr in unser geliebtes Terra Ankor mit großer Freude entgegen. Ihr Segen wird alle Zweifel zerstreuen, alle Uneinigkeit beseitigen und aus unserem Volk eine starke unbesiegbare Einheit schmieden, die sich den Rest der Welt unterwirft, darin, so kann ich Dir sagen, bin ich mit ihr einig. Gemeinsam mit ihr, als unsere Göttin an meiner Seite, herrsche ich über unser Volk. Das Geheimnis ihres Segens ist es, das mich davon trennt, so allmächtig zu sein wie sie. Ich werde ihr dienen, denn ich zweifle nicht daran, dass sie mich irgendwann würdiger erachtet und mit mir teilt, was sie so einzigartig macht und mir ebenso wie ihr zu unbegrenzter Macht verhilft. Ich freue mich, meine Gedanken mit Dir wieder von Angesicht zu Angesicht zu teilen und Deine Stimme, die zuweilen kritisch und spöttisch ist, zu hören. Mir fehlt in diesen Tagen eine vertraute Seele, die mich kennt wie kein Zweiter und der ich bedingungslos vertraue. Du bist immer mein Freund. Niemals mir zustimmend, weil ich Dein König bin, sondern weil ich Dich zu überzeugen wusste. Du bist der Stahl, an dem ich meinen Verstand schärfen muss, um Dich auf meine Seite zu bringen. Gelingt es mir, so weiss ich aus all den Jahren, trennt uns nichts. Auch unsere neue Göttin wird daran nichts ändern. Im Gegenteil. Gemeinsam werden wir uns ihr unterwerfen und doch davon Nutzen ziehen, dass wir zu zweit machtvoller sind, als alles andere. Dein diplomatisches Geschick und meine magischen Fähigkeiten, meine Stellung als König von Ankorialand. Ihr ewiger Segen. Wer sollte sich uns entgegenstellen? Ich kann es kaum erwarten. Dein Freund Garvan.”