Tagebucheintrag 6
“Soll ich Dich heute noch verbrennen Buch, oder bewahre ich Dich für hellere Momente auf? Immerhin konnte ich mich Dir anvertrauen, wenn selbst die Nebelsängerin zu viel für mich wurde.
Wir segelten wieder los. Als der Befehl eintraf, keimte Hoffnung in mir auf. Eine Fahrt auf offener See, Wind und Wasser im Gesicht, beide Hände auf dem warmen Holt meines Bootes, die Stimmen meiner Männer und Frauen hinter mir. Das wird meine Zweifel zerstreuen, meiner Unsicherheit ein Ende bereiten.
Erneut soll die Frostwolf, diesmal zusammen mit einigen weiteren Schiffen, aufbrechen mit mir als Segelherr. Im Morgengrauen wachten wieder neue Skargen mit einem Frostmantel auf. So ist die Mannschaft der Frostwolf erneut vollzählig. Ein Teil der Flotte ist bereits unterwegs. Der König der Untoten Armee, so sagte man mir, ist auf der Suche nach etwas von großer Macht und Bedeutung für ihn. Er hatte es in einer Burg gelassen und nun kommt er, um es zurückzuholen.
Wir stehen an der Seite unseres Verbündeten. Wir stehen Seite an Seite mit den Unsrigen. Lasst uns Blut ernten, auf dass Rhînland wieder ersteht. Blut der Verschlingerin, Blut dem Land!
Und dann sagte einer dieser Huskarle mir, wohin unsere Fahrt dieses Mal geht. Zurück auf den Geisterfelsen, zurück auf ausgerechnet diese Burg, weil wir dem Ruf unserer Verbündeten folgen. Auf den Geisterfelsen….dorthin, wo der Alptraum begann. Ist das meine Chance, den Göttern zu zeigen, dass ich es wert bin, wiedergeboren zu werden?
Ist das ein Wink des Schicksals oder Spott der Götter?
Ist es eine Gelegenheit, das wiederzuerlangen, was mir verloren ging, oder für immer in Bedeutungslosigkeit zu versinken? In meinem Kopf höre ich die Worte der Nebelsängerin. Du musst stark sein!
Ja, ich werde stark sein, unbeugsam und ohne Zweifel. Mein Fuß wird der Erste sein, der den Boden dieses verfluchten Eilands erneut betritt und von meiner Axt wird das erste Blut tropfen.
Solche starken Worte kann ich für meine Besatzung finden und sie bejubeln mich dafür. Für mich klingen sie jedoch hohl und unbedeutend, so wie ich mich selbst fühle.
Ich verdränge den Gedanken daran, dass ich wieder fallen könnte. Was, wenn der Nebel sich dieses Mal für mich nicht lichtet? Was, wenn ich für immer im Nebel umher irre, wenn mein Weg nach Hause versperrt ist und ich für immer tot und vergessen bin?
Wenn ich beim Angriff schreie, wird es dieses Mal nicht Kampfeslust sein, die aus meiner Kehle ihren Weg ins Freie sucht.
Götter, steht mir bei. Ich bin würdig.”
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