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Tagebucheintrag 3

“Als Segelherr bist Du der Fels, an den sich Deine Mannschaft lehnt. Der Fels steht fest, er wankt nicht. Er hat keine Zweifel. Meine Mannschaft vertraut mir, auch wenn ich es selbst nicht mehr tue und die Last, die ich damit trage, wird jeden Tag schwerer.

Geplagt von all den dunklen Träumen, dem ruhelosen Schlaf der Ungewissheit, bauen sich in mir langsam wirkliche Zweifel auf. Versucht die Schattenbringerin Skyvari meinen Glauben und Vertrauen an die Götter und an mich selbst zum Taumeln zu bringen? Wessen Werk es auch war, es zeigt seine verdorbenen Früchte. Mein Denken gerät langsam ins Wanken. Habe ich die Götter mit meinem Versagen so erzürnt. dass sie sich nun von mir abwenden werden? Meine tiefsten Ängste wahr. Soll ich noch einmal in die Nebel gehen.

Ich muss mich nun doch jemand anderem anvertrauen, als nur Dir. Immerhin bist Du nur eine in Leder gebundene Sammlung meiner Gedanken.

Ich muss mit jemandem aus Fleisch und Blut darüber sprechen. Lange habe ich überlegt, wem ich vertrauen kann. Wem ich das Geheimnis meines Zweifels anvertrauen, wer mir helfen kann. Nur einer der Nebelsänger kann verstehen. So suchte ich in den frühen Morgenstunden erneut die Nebelsängerin Smilla auf. Sie ist mittlerweile mein zweiter Fels in der Brandung, durch die mein Boot steuert. Sie ist Leuchtfeuer in der See von Blut. Sie gibt die Richtung, wo ich Gewissheit gebe. Sie würde verstehen, dessen war ich mir sicher. Und doch zögerte ich lange. Segelherren schwanken nicht. Bevor ich jedoch ein Wort herausbringen konnte, bedeutete sie mir mit einer harschen Geste, ich solle schweigen und mich an ihre Feuerstelle setzen. Wie Du weißt, kleines Buch, sollte man einer Nebelsängerin nicht widersprechen oder sie gar erzürnen, wenn man aus den Nebeln zurückzukehren wünscht. Daher tat ich stumm, was sie mir befohlen hatte. Während wir schwiegen, bereitete sie aus verschiedenen Wurzeln und Kräutern einen Aufguss zu und reichte mir diesen in einem Tongefäß.

Sie sah mir lange in meine Augen, schien mein Innerstes lesen zu können, kein Geheimnis war vor ihr sicher. Kein Wanken blieb ihr verborgen. Ich konnte ihre starke Verbindung mit den Göttern nahezu spüren. Umso mehr fühlte ich mich, als sei meine Verbindung schwächer geworden. Wie ein Tau, Seil, bei welchem bereits einzelne Stränge durchschnitten wurden und endgültig zu zerreißen droht. Nicht, dass ich Angst vor dieser Frau hatte, jedoch schien ihr Blick mich zu durchbohren, zu prüfen. Ich musste meinen Blick abwenden und nahm schnell einen tiefen Schluck des Aufgusses. Ich sah Smilla an, fragte um Rat, wie ich wieder in der sicheren Gunst der Götter stehen könnte, und, oh Korvaar, Smilla lächelte mich fast sanft an. Etwas, das man selten bei unserer Nebelsängerin sah. Und so sprach sie zu mir, sprach davon, dass ich keinesfalls den Glauben verlieren sollte, dass mein Weg noch nicht zu Ende sei. Ich jedoch, so viel Stärke und Mut zeigen muss, wie noch nie ein Segelherr gezeigt hat, um den Göttern zu beweisen, dass ich ihrer Wert bin. 

Ihre Worte beruhigten mich irgendwie.

Wenn die Stimme des Nebels selbst sagt, dass nicht alles verloren ist, und mit genug Stärke die Götter ihm wieder wohlgesonnen sein werden, dann möchte ich ihren Worten Glauben schenken. Ich überreichte Smilla als Zeichen meiner Ehrerbietung die Jagdtrophäe meiner Namensprüfung, mein wertvollster Besitz, und bat sie sehr eindringlich, ihr Schweigen über das Gesprochene zu bewahren.

Danach waren meine Schritte wieder etwas leichter. Trotzdem bleiben die dunklen Träume und die tiefe Sorge, dass mich die Ewigkeit nie abholen wird. Ich werde meinen Mut und mein Göttergefallen beständig zeigen. Sollen noch die weit entferntesten Dörfer meinen Namen kennen und wissen, dass meine Stärke von den Göttern kommt.”