Tagebucheintrag 1
“Smilla, unsere Nebelsängerin gab Dich mir und sagte, ich kann Dir mehr vertrauen als mir selbst. Ich solle Dir jeden Tag meine Gedanken und Sorgen anvertrauen und Dich gut vor den anderen verstecken. Sie schien zu spüren, dass etwas an mir nagt. Nicht ohne Grund ist sie unsere Nebelsängerin. Nun, ich will es versuchen, denn es gibt so vieles, das mich nicht loslässt. Vielleicht vermagst Du mich zu verstehen. Für meine Besatzung muss ich Stärke zeigen und sie mit Göttervertrauen in den Kampf führen. Für sie darf ich nicht wanken. Nach dem letzten Kampf auf dieser verdammten Burg, bei welcher ich niedergestreckt wurde. Es verging eine Unendlichkeit, als mich das Schwert dieses verfluchten Atteroners traf. War das letzte, was ich sah, mein eigenes Blut. Ich erinnere mich an den Moment des Schreckens, der dem Tod immer vorauseilt. Der Augenblick des Unglaubens, dass man für eine gerechte Sache tatsächlich sein Leben lassen muss. Du, in Leder gebundenes Buch, weißt es noch nicht. Ein Skarge, der Außergewöhnliches geleistet hat, wird mit seinem Tod von der Ewigkeit zu den Hallen unserer Götter begleitet oder aber er wird durch die Götter wieder auf das Schlachtfeld gerufen. Ich sollte doch wieder zurück auf das Schlachtfeld kommen oder sogar bereits mit all meinen Schwestern und Brüdern in den Hallen der Götter speisen. Aber er passierte nichts.
Wie schon unzählige Male zuvor, tauchte ich im Nebel wieder auf. Ich fand mich wieder augenscheinlich im Nebel unserer Heimat und wartete auf die Ewigkeit und wartete. Ich kenne Nebel. Schon manche Male hat mich ein Nebelsänger zurück in den Kampf gerufen. Das Gefühl war mir nicht unbekannt. So sicher, wie ich glaubte zu sein, so klar, wie mir der Weg erschienen war, nun war nichts mehr in meiner Erinnerung, außer Schmerz und Vergehen. Kein Hinweis auf den Weg aus den Nebeln, kein Trost, kein Ausweg. Es schien beinahe so, als nein, oder, doch ….hatte ich versagt? Die Götter haben mich verlassen, das war alles, was ich denken konnte. Hatte es mir an Entschlossenheit gemangelt? War ich nicht derjenige, der seine Mannschaft zum äußersten getrieben hatte? Immer und in jeder Schlacht. Oder war da doch die Stimme des Zweifels in meinem Inneren? Jene feige, hinterlistige Stimme, die in jedem von uns wohnt und die wir unterschiedlich gut im Griff haben. War da nicht diese Stimme in mir laut geworden, so laut, dass die Götter sie gehört hatten? Ich drehte mich um mich selbst. Unendlich unfähig, meinen Weg aus den undurchdringlichen Schwaden aus Leiden und Wiedergeburt zu finden und mit jedem endlosen Moment wurde meine Überzeugung größer, dass ich versagt hatte. Für immer würde ich hier in den Nebeln sein. Ich rief nach meiner Mannschaft. Wollte mich vergewissern, dass nicht auch sie dieses grausame Schicksal ereilt hatte und fand mich angespült an den Gestaden von Rhînland wieder. Ich habe in meinem Leben niemals geweint, aber das war ein Moment in dem ich es gekonnt hätte.
Ich habe noch keine Geschichte gehört, dass ein Skarge so lange in den Nebeln wanderte und dieses Gefühl der schieren Unendlichkeit und diese Leere, diese Einsamkeit…beinahe so, als wären die Götter in den Nebeln zum Greifen nah, aber hätten sich von mir abgewandt. Ich erschaudere, während ich Dir diese Zeilen anvertraue. Groß ist die Sorge, dass ich sie mit meinen Taten verärgert und sie mich nun mehr fallen lassen. Diese Runen dürfen nie von anderen Skargen gelesen werden. Ich sollte Dich verbrennen. Morgen werde ich zusammen mit anderen Jägern aus meinem Dorf einen der großen Eber jagen, die in den Tiefen unserer Wälder leben. Ich erhoffe mir, dass ich mich in einem Kampf mit diesem Tier beweisen kann und dem Oberhaupt des Dorfes einen Stoßzahn als Trophäe und Zeichen meiner nicht gebrochenen Kraft darbieten kann. Ich werde Stärke zeigen und den Göttern beweisen, dass sie sich auf mich verlassen können. Sollten sie mir die Chance geben, meine Kraft und meinen Glauben an die Götter zu bekunden und mich zurück zu dieser schandhaften Burg schicken, ich werde diese Burg niederbrennen mit den Namen meiner Götter auf den Lippen. Bei Korvaar, Askalaar und Fufruun, bei Gyldras goldenem Leuchten und selbst Skyvaris tiefsten Schatten.”
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