Vlotho der die Fackel hielt
Die Geschichte von Vlotho ist eine Geschichte von etwas Faulheit, Ideenreichtum und einer kleinen Prise Einfalt. Vlotho war ein Faulpelz, der niemals der Erste war, wenn es darum ging mit anzupacken. Dennoch war Vlotho durchaus beliebt. denn wer faul und gewitzt ist, kommt gut durchs Leben, ohne dass andere in Gram mit einem sind. So machte es Vlotho, der zwar immer am lautesten rief, wenn es darum ging, Arbeit zu verteilen, sobald aber tatsächlich etwas getan werden sollte, verstand er sich darauf, andere anzuleiten, umher zu schicken und zu kommandieren. Er selbst war dann meist vom “andere Leute beschäftigen” so erschöpft, dass er der Erste war, der sich ein wenig ausruhen musste.
Die Menschen gönnten Vlotho diese Pause sogar, weil er vorher ja für alle sichtbar so tüchtig gearbeitet hatte. Nur mit der Liebe wollte es bei Vlotho nicht so richtig klappen. Ob es daran lag, dass mögliche Partner insgeheim spürten, dass er in Wahrheit gar nicht half, oder ob er zu faul war, ihnen ausreichend den Hof zu machen, keines der Mädchen interessierte sich für ihn und kein Junge war von ihm angetan. Auch wenn Vlotho eigentlich die Idee verabscheute sich tatsächlich dafür anzustrengen, so ganz einsam wollte der trotzdem nicht bleiben, also schmiedete er einen Plan. Was wäre, wenn er einmal als Held dastehen könnte, wenn er etwas schaffte, was sonst niemanden gelungen war?
Er zerbrach sich den Kopf so sehr, dass ihn diese Arbeit schon aufs äußerste anstrengte, aber so recht wollte ihm nichts einfallen.
Dann kam ihm eine Idee: Was wäre, wenn er einen Angreifer vertreiben könnte. Was, wenn er einen Dieb, ein wildes Tier oder gar einen Ork verjagen und so das Dorf retten würde?
Je länger er darüber nachdachte, umso besser gefiel ihm die Idee mit dem wilden Tier. Wovor fürchten sich wilde Tiere, fragte er sich und kam auf die Idee, dass ein Feuer sicherlich das Richtige wäre, um vorzugeben, dass er sich tapfer einer schrecklichen Bedrohung in den Weg gestellt hatte.
Seine Wahl fiel auf einen Abend im späten Sommer. Die Nächte wurden schon deutlich länger und die ersten Blätter verloren ihr saftiges Grün, als er eine Fackel in einem Beutel versteckt das Dorf verließ. “Wo gehst du hin, Vlotho?” fragte der Müllerjunge, der auf einer Mauer saß und an einem Grashalm kaute. “Ich gehe ein Stück in den Wald und schaue, ob die Pilze schon wachsen” antwortete der zukünftige Held und schüttelte zur Bestätigung seine Tasche, in der die Fackel versteckt lag. “Dann wünsche ich Dir viel Erfolg, und pass auf, dass der wilde Bär dich nicht frisst” meinte der junge Mann scherzhaft.
Vlothos Herz jauchzte. Sein Plan schien vortrefflich aufzugehen! Kaum war er außer Sicht, folgte er einem kleinen Pfad, der in ein nahes Wäldchen führte. Er nahm die Fackel aus seiner Tasche. In schwindenden Licht des Tages wirkten die Bäume dunkel und fast bedrohlich. Es war nicht sein Plan, aber Vlothos Herz schlug mit einem Mal schneller und seine Schritte wurden zögerlicher. Jetzt stand er im Zwielicht, die Bäume nur noch Silhouetten gegen das verblassende Rad des Abendhimmels und seine Angst wuchs mit jedem Schritt.
So hätte er sich das Held werden nicht vorgestellt.
Er fand einen Feuerstein und wollte gerade den ersten Funken schlagen, da hörte er ein Geräusch. Ein Schnaufen, Hecheln, schweres Atmen und das Brechen von Zweigen, als würde ein großes Tier durchs Unterholz fliehen. Hektisch schlug er die Feuersteine aneinander, dass die Funken nur so stieben und schaffte es trotz zitternder Finger, den kleinen Zunder zu entfachen. Das Tier kam immer näher, er hörte ein Grollen, Knurren und fast glaubte er den Geruch von nassem Fell und schlechtem Atem zu riechen, da züngelte eine Flamme an seiner Fackel empor.
Wie ein Mahnmal riss er zu Schutz vor dem Untier die Fackel nach oben und das letzte was er sah, war das bärtige Gesicht eines gehetzten Mannes der seine Macht zu nutzen wusste. Und so zischte dieser scharfkantige Worte und die neu entzündete Fackel barst und explodierte in Vlothos Gesicht! Der Möchtegern Held schrie und schrie. während seine Augen schmolzen und das Feuer ihn langsam über und über erfasste, viel mehr, als es die einfache Fackel gekonnt hätte. Der wilde Mann, ein gesuchter Magier, konnte so entkommen. Seine Verfolger der Inquisition waren geblendet im dunklen Wald vom Schein des langsam heiser schreienden und sich nur noch schwach windenden Vlotho. Und als sie die Flammen endlich mit einer Decke löschen konnten, da lag er ganz still. Und es gab nur einen Helden der Geschichte. Den Magier, der das Feuer sinnvoll nutzte.
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