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Tagebuch - erster Brief

Mir geht es so gut!

Dabei sollte das gar nicht so sein, wenn man die Lage betrachtet, in der ich mich befand. Ich würde das Erbe meiner Mutter verleugnen, würde ich behaupten, dass mir nicht klar ist ist, wie prekär die Lage war. Was immer da passiert war - und ich bin weit davon entfernt, zu verstehen, WAS da passiert ist, es hat die Welt zerschmettert zurückgelassen. Ich konnte mich schon vorher nicht über zu aufdringliche Bewohner beschweren, seit ich den Norden verlassen habe, ist mir in diesem Land nicht eine Seele begegnet und ich dachte, dass sei ein Zustand, der nicht mehr zu steigern sei.

Ha!

Wie konnte ich mich so irren? Jetzt sind auch die Tiere verstummt und mit einem Mal wird mir klar, dass sie unsere steten Begleiter gewesen sind. Auch wenn wir keine Worte vernehmen konnten, die Stimmen von Vögeln und Fröschen, Füchsen und sogar Wölfen waren die Musik, die uns in den Schlaf wiegte und am Morgen weckte.

Seit es so still ist, ist mir das klar.

Und noch etwas hat sich geändert. In den vergangenen Monden, wer weiß, wie viele es sind, ich habe aufgehört zu zählen, konnte ich immer etwas zu Essen finden. Es waren nie besondere Leckereien, sieht man mal von dem Bienenstock ab, den ich vor einiger Zeit fand und dessen Honig mich über Tage mehr als glücklich machte. Letztlich reichte es aber nicht nur zum Überleben, sondern auch zum satt werden. Ich habe sogar dem Keimling etwas vom Honig in sein Wasser getan, ich glaube, das hat ihm sogar irgendwie gut getan. Aber was weiß ich schon von meinem kleinen, stummen, mächtigen Begleiter.

Seit diesem .. Kataklysmus, so nenne ich es, seit diesem Kataklysmus nun konnte ich kaum noch Nahrung finden. Ein paar vertrocknete Blätter, hier und da eine Wurzel, eine Nuss. Und auch das Wasser war mehr als knapp und wenn wir an eines der kleinen Rinnsale kamen, sah das., was darin floss, so ungenießbar aus, dass ich lieber verzichtete Aber lange konnte ich das nicht aushalten, wenn ich schon keine Nahrung bekam, etwas zu Trinken musste ich haben.

Und auch der Keimling kann ohne Wasser nicht wirklich leben, zumindest glaube ich das, er ist schließlich eine Pflanze oder so etwas ähnliches .. egal, auch er braucht Flüssigkeit. Mein Mund wurde so trocken, dass ich nicht mehr wie sonst eine Geschichte erzählen oder einfach nur mit dem Keimling plaudern konnte. Die Zunge klebte mir am Gaumen und jeder Atemzug begann zu schmerzen, weil mein Hals immer mehr vertrocknete. Als wir bei dem kleinen Bach ankamen, erschien er mir wie eine Oase in der Wüste. Ich ignorierte seine dunkle Farbe und kniete nieder, um etwas Wasser in die Hand zu nehmen, da raschelte es hinter mir und eine Wurzel schlängelte sich vorbei an meinem Ohr, hin zum Wasser.

“Du bist auch ganz schön durstig, was?” fragte ich ihn und als wolle er mir Antwort geben, tauchte er seine Wurzel in die braune Brühe, die träge vor mir in der staubigen Rinne floss. Meine Hand tauchte ich direkt neben der Wurzel ins Wasser und als ich sie wieder hob, glitzerte darin klares Wasser. Vorsichtig führte ich die HAnd an meine Nase und roch daran. Kein Geruch, nur reines, klares Wasser. Den ersten vorsichtigen Schluck trank ich noch im Glauben, jetzt gleich und auf der Stelle die schrecklichen Konsequenzen tragen zu müssen, aber nein!

Klar und erfrischend füllte sich mein Mund mit köstlichem Wasser, auch als ich beide Hände nahm und mir damit eine Schüssel machte aus der ich trank, war das Wasser besser als alles, was ich bisher auf meiner Reise getrunken hatte. 

Und jetzt fühle ich mich so gut wie seit langem nicht mehr. Was ist hier geschehen? Es muss der Keimling gewesen sein, der mir das Wasser aufbereitete, der es von Unrat und Gift reinigte, damit ich es trinken konnte und es mich nicht umbrachte. Und mehr als das, es stärkte mich und machte meinen Geist so klar wie seit langem nicht mehr, Einen Tag später erreichten wir endlich, endlich das Meer. Und hier sah ich seit unzähligen Tagen zum ersten Mal wieder andere Lebewesen. Staubig, verwirrt, aber entschlossen, nach Süden zu gehen. Ich werde mich ihnen anschließen. 

Ich darf mich nicht täuschen. 

Was soll ich tun, mein Leben war bis hierher voller Gefahren und Merkwürdigkeiten, aber eines war sicher, hatte Bestand, war verläßlich. Die Stimmen in meinem Kopf, die Elemente, denen ich diente, die einen Platz in meinem Herzen haben und die, so glaube ich, immer wieder mit mir sprachen, auch wenn ich sie nicht verstand.

Mal waren es Geräusche wie der Hauch Aeris, der durch meine Gedanken strich oder die Wärme in meinem Inneren, die nur von Ignis kommen konnte. Aqua brachte mir Klarheit , aber auch meine Fähigkeit, kleine Verletzungen zu heilen, stammen von diesem Element, das war für mich zu jedem Zeitpunkt klar. Terra gab mir die Liebe zu allen Geschöpfen, meine Standfestigkeit - manch einer behauptet, meine Sturheit.

Aber jetzt sind sie verstummt. Nicht dieses dröhnende Schweigen, das einen nicht schlafen lässt, diese Stille, die lauter sein kann als jeder Schrei, nein, sie sind einfach gegangen, sind fort, wie Flüssigkeit, die im Boden versickert und nichts zurücklässt als eine feuchte Stelle, die in der Sonne schnell ebenfalls verschwindet.

Ich versuche mich zu erinnern, wann es passierte und immer wieder kommt mit eine Moment in den Sinn.

Zur Burg Sturmwacht reiste ich an und der Hain war bei mir, dann öffnete sich die Hülle, in der der Keimling so lange Zeit gewartet hatte und außer ihm war nichts mehr. Dein Schweigen ist seither in meinen Gedanken, aber es ist kein leises Schweigen, es sind nur keine Worte mit denen er spricht.

Aber ich darf mich nicht täuschen. Wenn ich denken, dass er mir antwortet, ist er es wirklich? Streifen seine Blätter absichtlich meinen Arm, oder weht einfach nur ein kleiner Windhauch, der sie bewegt? Ich kann es nicht sagen, aber mein Gefühl sagt mir, dass nicht nur ich ihm Geschichten erzähle und ihm vorsinge, sondern er ständig mit mir im Austausch ist…

Ich muss langsam wieder einen klaren Kopf bekommen. Seit ich mit diesem Ding unterwegs bin, scheint sich die Welt um mich herum aufzulösen. Alles, was ich kannte, alles was ich wusste, ist auf einmal anders. Weg. Nicht mehr da.

Der Keimling ist in meinem Kopf, aber er spricht nicht mit mir in Worten. Ich spüre seine Neugierde und ich erzähle ihm ständig irgendwelche Geschichten, aber ich habe das Gefühl, er will mehr, viel, viel mehr. Die Lebensgeschichten einer alten Eule versickern in diesem unendlichen Geist wie ein Tropfen Wasser in der Wüste.

Als wir noch auf der Sturmwacht waren, konnte ich spüren, wie er die Gesänge und Gedichte der Siedler aufsaugte, die kamen, um ihn kennenzulernen. So hätte es weitergehen sollen, aber dann passierten all die Dinge, mit denen niemand gerechnet hätte. Ich schweif schon wieder ab… wo war ich? Nach Süden, ich muss ihn nach Süden bringen. Hatte ich das nicht schon aufgeschrieben?