Schmerz und Dunkelheit
Die Welt ist nicht mehr, was sie einst war. Mein Volk ist nicht mehr, was es einst war. Man mag sogar sagen, es ist gar nicht mehr. Denn mein Name ist Jehenn, und ich bin - soweit mir bekannt - der letzte der Eliondhar. Meine Brüder und Schwestern sind gegangen um die Edalphi zu suchen, doch wird ihre Suche fruchtlos sein, denn sie sind gefallen. Ihre Führer bogen sich wie Natel-Stämme im Wind und heute dient ihr gesamtes Volk dem Zweifel der Ratio.
Meine Existenz, von der ich einst annahm sie würde ewig währen, wird bald enden. Schon spüre ich wie mein Geist entschwindet, meine letzten Energien sich in den astralen Strömungen verlieren. Oh wären doch nur die Nyamen das, was sie einst waren. Oh wären doch die Quihen Assil, die Weltenkinder, niemals von der Welt gewichen. Wer einst nur Botschafter und Sprachrohr war soll nun die Geschicke der Welt leiten? Ich verachte die Archonten und ich empfinde nicht einmal das für die, welche sich heute Nyamen nennen. Sie mögen aus dem Geschlecht derer sein, die mich erschaffen haben, doch ist es vermessen, dass sie sich mit den Weltenkindern auf eine Stufe setzen.
Ich schreibe diese Zeilen aber nicht um zu klagen, sondern um zu berichten was nicht vergessen werden darf. Da ich niemanden mehr habe, dem ich mein Wissen übergeben kann wirst du, der du diese Zeilen findest, mein Erbe antreten müssen. Da ich nicht sicher sein kann, was du über die Geschicke der Weltenkinder weisst, berichte ich lieber zuerst von den fünf Völkern unter ihnen: Dies waren die Smaragdsänger, die Kristallfürsten, die Roten Jademeister, die Herren der Tiefe und die Kinder des Goldenen Traumes. Ich hoffe, dass dir zumindest die letzten bekannt sind, denn schließlich erblickst du sie jeden Abend in Form der Quin wenn du gen Himmel siehst. Und ich gebe meine letzte Hoffnung auf den Gedanken, dass das Wissen um ihre Namen und die Bedeutung nicht verloren wurde wenn du dies liest.
Als die Kinder des Goldenen Traumes, die mächtigsten und reinsten Elementarwesen Magicas, welche je über diese Welt wandelten, die die Sphaeren und Ströme der arkanen Energien formten und die Kräfte der Elemente mit ihnen verwoben, als diese Meister der weltlichen Schöpfung uns verließen so stiegen sie gen Himmel um weiterhin über uns und unser Schicksal zu wachen, denn sie lieben uns noch heute wie am ersten Tag und nichts was wir tun, könnte jemals ihren Zorn auf uns entfachen, ganz gleich was die Nyamen behaupten.
Doch was mein Volk vor unendlicher Zeit erblicken musste sollte uns beinah alle in den Wahnsinn treiben. Es war lange vor meiner Entstehung, lange vor dem Fall der Edalphi, ja sogar, darf man alten Geschichten glauben, erst kurz nach der Erschaffung unseres Volkes. Meine Vorfahren durchstreiften gerade die zeitlosen und angenehm kühlen Wälder des Nordens an den Hängen der Karlan Berge, welche heute einer Seestraße gewichen sind, welche uns vom ewigen Eis trennt. Von dort erblickten sie eines Nachts, wie zwei der Quin am Himmel, die dort seit Anbeginn der Eliondhar hingen, größer und größer wurden und schließlich kurz vor dem Morgengrauen auf die Welt herab stürzten.
Während der eine weit im Süden nieder zu gehen schien, schlug der zweite nicht weit von den Bergen entfernt in die Wälder ein. Sein Feuer entfachte Brände, welche noch Tage anhalten sollten und bei seinem Einschlag lösten sich Eissplitter, so groß wie Berge aus ihm und fuhren in großem Umkreis in den Boden. Am ersten Tag nach dem Sturz wurde der Himmel schwarz und kein Licht drang mehr herab, die Welt wurde nur erhellt von den nicht enden wollenden Feuern.Am zweiten Tag wagten sich einige unseres Volkes wieder heraus, doch sollte es bald ihr Untergang sein. Denn am dritten Tag nach dem Sturz schließlich begann ein langer Regen, der alles was nicht floh mit einem schwarzen Film überzog und erstickte. Viele von uns starben in den Feuern oder durch den schwarzen Regen, doch einigen wenigen war es am zweiten Tag gelungen bis zum Ort des Sturzes vorzudringen. Sie alle starben in den nächsten Tagen durch den schwarzen Regen, doch konnten einige berichten was sie erblickt hatten.
Der Quin schien umhült gewesen zu sein von Gestein und Eis, denn an manchen Stellen sah man noch die Reste davon. Zudem war er zu einem großen Teil von Erde und Gestein bedeckt, das er wohl bei seinem Einschlag aufgeworfen hatte. Doch obwohl so viel von ihm verdeckt war, konnten die Eliondhar dennoch erkennen, dass sich im Zentrum des Kraters etwas bewegte. Im Inneren der harten Schale des Quins, die durch die unglaubliche Wucht des Aufpralls wie die Schale eines Validar-Eis geplatzt war, lag der sterbende Leib eines Quihen Assil. Seine Haut pulsierte in einem goldenen Leuchten, teils so hell dass sie den Blick abwenden mussten um nicht geblendet zu werden. Seine Formen waren fein und stark zugleich und auf den Zügen des Gesichtes spiegelten sich Weisheit und Schmerz zugleich. Alle unter denen, welche dies erblicken durften und am nächsten Tag starben, sollten glücklich gehen - denn sie hatten das Gesicht Magicas gesehen.
Mein Volk sollte niemals erfahren, welch schreckliches Schicksal dazu geführt hatte, dass die zwei Kinder des Goldenen Traumes stürzen mussten, noch aus welch grausamen Grund ihre sterblichen Hüllen erstarrten und sich ihre Leiber in kalten Kristall verwandelten. Mit der Zeit sammelte sich immer mehr Erdreich an, und als der schwarze Regen nachlies, war von dem silbern-weisslichen Kristall nichts mehr zu sehen. Tiluck, ward ab diesem Tag dieser Ort genannt - der „traurige Ort“ denn so schlimm war der Schmerz im Angesicht des allmächtigen Geschöpfs gewesen, dass keiner der Eliondhar ihn jemals wieder vergessen sollte.
Viele derer, welche dies erlebt hatten, zogen nach Süden, immer auf der Suche nach dem zweiten Quin. Und so sollten sie ihn auch schließlich finden. Er hatte sich nicht ganz so tief in die Erde gegraben wie Luckiel, dafür eine lange Schneise der Vernichtung durch die Ebenen gezogen. Daher, und weil der Kristall zu dem der Leib erstarrt war Schwarz wie die Nacht war, nannten sie ihn Kahl, den „dunklen Ort“. Dunkel schien er in der Tat, denn meine Ahnen beschrieben in der Geschichte stehts, dass sich unser Volk dort unwohl fühlte, als wären sie auf eine seltsame Art von der Magie des Landes getrennt. Sie verblieben nur kurz dort bevor sie weiter zogen und so kann ich nicht mehr berichten, denn mehr ward nie überliefert.
Ich hoffe mein Bericht ist bei dir in guten Händen gelandet. Lass niemals in Vergessenheit geraten, was wir einst bezeugten: Den Sturz und Tod von zwei Wesen, die doch Unsterblich waren…
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