Der Weltenbrand Teil I – Mariens Ritual
Niedergeschrieben durch die erste Nyame des Nordens nach der Rückkehr
„Niemals werden wir aufgeben, dieser unserer Heimat den Rücken zu kehren! Niemals werden wir das, was wir aufgebaut haben den Händen der Verfemten überlassen! Meine Schwestern – steht bei mir und helft mir stark zu sein. Denn ich brauche eure Stärke bei dieser, meiner letzten Aufgabe!“
Mit diesen Worten schritt Mariên de vo Canar in das Heiligste des großen Tempels von Sihilo-sihen, der erhabenen Stadt der Lüfte. Die gewaltigen Sturmreiter beugten in Demut ihr Haupt vor der mächtigsten Nyame, die Mitraspera je gesehen hatte…
So folgte auch ich, eine einfache Dienerin der Nyame aus dem Volk der Naldar ihr in den Tempel und durfte Zeuge werden, wie sie ein letztes Mal ihre fast gottgleichen Kräfte einsetzte.
Langsam schritt sie auf das Zentrum des Tempels zu, wo ein einsamer Are Da Sien stand. Dort angekommen strich sie noch einmal zärtlich über die Nüstern des Riesen und wandte sich dann zum ersten Pylonen.
Aeris, ich rufe dich! Oh ewiger Sturm – komme herab und helfe uns in unserer Not! Schild des Himmels, wir brauchen dich mehr denn jemals zuvor! Ich rufe dich, oh weißer Atem der Elemente!
Eine Säule aus weißem Licht bildete sich über dem Pylon und jagte dem Himmel entgegen. Die Anwesenden wichen zurück und auch die Schwingen des Are Da Sien zuckten, doch Mariên de vo Canar schritt ohne zu zögern weiter.
Terra, ich rufe dich! Oh ewiger Fels – festige unseren Stand auf dass wir niemals zögern, niemals verzagen! Teile die Kraft deines unerschöpflichen Lebens mit uns. Ich rufe dich, oh grüner Leib der Elemente!
Eine weitere Säule, diesmal aus wirbelnden grünen Blättern stob aus dem Pylonen hinauf in die Weiten über uns.
Ignis, ich rufe dich! Oh ewige Flamme – sei der Funken, der unsere größten Kräfte entfacht! Entbrenne, Weltenfeuer! Bringe Vernichtung über unsere Feinde und verbrenne ihre verderbten Seelen. Ich rufe dich, oh feurig rotes Blut der Elemente!
Eine dritte Säule aus wild tobenden Flammen stob in den Himmel. Weit oben konnte ich inzwischen ausmachen, wie die Säulen in unermesslicher Ferne zusammen flossen und langsam einen gewaltigen Malstrom formten. Die Nyame schritt zum letzten Pylonen.
Aqua, ich rufe dich! Oh ewiger Strom – sei noch einmal der Quell unserer Hoffnung und führe uns! Komm herab aus deinem Meer der Sterne und steh uns bei. Ich rufe dich, oh blauer Ozean der Elemente!
Eine vierte Säule aus tosendem Wasser barst aus dem Pylonen und das Viereck war vollkommen. Weit oben vereinte sie sich mit den anderen – der Sturm reichte inzwischen von Horizont zu Horizont, so weit ich Blicken konnte!
Sichtlich am Höhepunkt ihrer Konzentration wandte sich Mariên zum Weißen Greif in der Mitte, hob beschwörend ihre Hände und sprach die letzten Worte, denn der Tod war ihre Bestimmung:
Magica, ich rufe dich! Oh du Essenz aller Existenz. Vereine erneut die Kräfte dieser Welt! Verschmelze, was nur du zu verschmelzen vermagst. Nimm die Energien, welche hier so lange schlummerten und heute befreit sind! Nimm unser aller Liebe und Kraft! Nimm was immer du nehmen musst, doch bitte, oh goldenes Element – steh uns bei!
Und mit ihren letzten Worten fuhr eine Flammenwelle aus dem Zentrum des Orkans und breitete sich in alle Richtungen aus. Bald war das ganze Firmament entbrannt und leuchtete in dunklem Zinnober. Zuerst zaghaft, dann immer deutlicher konnte ich Spuren von Aquamarin darin ausmachen - gewaltige Arme aus purem, elementarem Wasser welche sich um die Flammen wickelten doch weder sie verschlangen noch von ihnen verdampft wurden. Zuletzt fuhr eine Säule aus wirbelnder Luft herunter und umfasste den ganzen Tempel. Als sie den Boden berührte erbebte die Erde als würde die Sonne selbst auf sie herabstürzen.
In diesem Moment erblickte ich das Licht. Im Zentrum des Sturms über uns hatte sich eine Lücke in den Wolken gebildet, genau im Auge des Orkans. Und im Zentrum der Lücke stand die Sonne des Himmels und ihr Licht viel auf uns herab. Doch schien sie viel heller, ihr goldener Schein war so stark, dass ein jeder von uns den Blick abwenden musste. Ich sah nur noch wie der Are Da Sein von der Lichtsäule erfasst wurde und Mariên auf ihn zu schritt, dann umfasste gnädige Ohnmacht meinen Geist…
(Dieser Text ist eine Abschrift aus der ursprünglichen Wanderbibliothek der Ouai)
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