Chroniken der Tiefen
Teil 1
Schatten in der Nacht
Der Meuchler kroch leise aus seinem Versteck zwischen den Büschen und glitt wie eine Schlange um den Baum herum, der die Sicht auf den Weg verdeckte. Um ehrlich zu sein, gestand er sich, war Sicht in der tief schwarzen Nacht, die das Land bedeckte, nicht wirklich ein ausschlaggebender Faktor. Doch die Vorsicht ist in diesem Handwerk der Ersatz für klingende Rüstung aus schützendem Stahl. Die Tritte waren jetzt direkt vor ihm. Mit angestrengtem Blick waren drei Gestalten im spärlichen Mondlicht auszumachen, dass wie feiner Schnee durch das dichte Blätterdach sickerte. Noch ein Schritt, das lange Messer glitt leise aus der geölten Scheide und er stand direkt hinter ihnen. Das fröhliche Geplauder des Hintersten erstickte in nassem Gurgeln, das zustimmende Brummeln des Zweiten verstummte in einem schmerzerfüllten Keuchen, da fuhr der voranschreitende Kerl herum und hieb dem Meuchler die Faust so hart gegen den Schädel, dass die Fingerknochen knackenden den Dienst quittierten. Grunzend taumelten beide auseinander und während der Schurke versuchte, sein Nasenbein, dass wie eine Pfeilspitze schneidend in seinen Schädel eingedrungen war, herauszuziehen, fuhr der feige Siedler auf dem Absatz herum und rannte laut rufend den schmalen Weg entlang, der noch vor ihm lag. "Feiges Pack!", murrte der Meuchler, beugte sich hernieder und zog die beiden Ermordeten ins Gebüsch. Sicherlich konnte der Apothekarius noch etwas damit anfangen. Die nächste Nacht, das gleiche Waldstück, einige Schritt weiter den Weg hinauf. Wieder lag er auf der Lauer und wieder bemühte sich sein toter Blick, die Schwärze zwischen den Bäumen zu durchdringen. Seine Finger glitten geistesabwesend über die Stelle, wo seine Nase vom Schlag in der Nacht zuvor zertrümmert worden war. Dies würde die letzte Nacht seiner schmutzigen Wacht sein, das hatten ihm die Priesterinnen versprochen und schon morgen bei Sonnenaufgang würde er mit einer frisch erbeuteten Nase den gerechten Lohn und die Anerkennung für seine Dienste erhalten. Der leise Wind trug das Knacken von schweren Stiefeln auf trockenen Ästen an sein Ohr. Er lauschte. Ein Siedler - oder doch zwei? Die Schritte verstummten kurz und der Meuchler hielt den Atem an, den er seit Jahrzehnten garnichtmehr hatte. Stille legte sich über den kleinen Pfad, dann knackte es wieder und eine Gestalt trat auf das Wegstück, dass direkt vor ihm lag. Ein Siedler, er hatte sich nicht verhört!
Und ein großer noch dazu. In einen schwarzen Mantel gekleidet und einen dreckigen Brustpanzer mit ineinandergreifenden Händen darauf auf dem Leib, machte er einen stattlichen Eindruck. Sicherlich einer dieser Nordsoldaten. Dieses stinkende Pack scheute sich wenig vor dem Staub und dem Schmutz der dreckigen Schlacht und zeigte dies auch noch stolz nach außen. Egal, Siegel hin oder her, er würde ihn genauso zu Fall bringen, wie all die anderen zuvor. Geübten Schrittes glitt der Meuchler in die Schatten eines dicken Stammes direkte am Wegesrand und machte das scharfe Messer bereit, den Soldaten beim Vorbeigehen niederzustrecken. Er kauerte sich hin, bereit zum Sprung, der beugte sich der Schatten wie lebendige Schwärze über ihn. Erschrocken fuhr er herum, den Dolch erhoben und sah mit Entsetzen, wie eine lange dunkel glänzende Klinge deine Hand sauber und völlig geräuschlos vom Unterarm abtrennte. Er keuchte auf, weniger aus Schmerz, vielmehr vor Furcht, als sich zwei Augen in der Dunkelheit öffneten, die seine mit hartem Blick fesselten. Eine Hand, gepanzert mit dem Wappen einer gelben Spinne, schoss vor und legte sich wie eine Fangeisen um seinen Kiefer. Die dunkle Klinge beendete die bemitleidenswerte Existenz des Meuchlers, noch bevor sich dieser über die Ironie seines Schicksals klar werden konnte. Die Priesterinnen hatten natürlich recht gehabt, nur war seine letzte Nacht auf der Lauer nicht so geendet, wie er es sich vorgestellt hatte. Nun war es vorbei, der Kreislauf erwartete ihn und ein neuer Zyklus aus Leid, Wiedergeburt und ewigem Dienen würde beginnen. Tarabas wartete nicht und war bereits auf den Weg herausgetreten, als der schlaffe Körper des Untoten auf dem Boden aufschlug. Er wischte seine Klinge ab und ließ sie in die Halterung an einem Gürtel gleiten, nickte seinem Schüler zu und gemeinsam führten Sie ihren Fußmarsch zum Lager der Waffenmeister fort.
Niedergeschrieben von Theodor Tiberius Sturm, Waffenmeister Aquas