Nechathon II
Ein Traum von…
Die hier beschriebene Geschichte ist eine Niederschrift eines Traumes, der so echt wirkte als waere er wirklich. Ich glaube ein Teil davon ist es auch. Einiges davon vielleicht auch nicht. Aber wer vermag schon zu sagen was davon falsch und was richtig ist?
Der Sturm ebbte langsam ab, wurde vom herankommenden Tag abgeloest. Maite sog die vom Regen geschwaengerte Kuehle Morgeluft ein. Sie roch nach Erde, feucht und schwer. Von den herumstehenden Baeumen rannen letzte Regentropfen in den Kupferkessel, der vor dem Fenster stand. Ein metallenes Plaetschern mischte sich mit dem knistern und knacken der im Ofen liegenden Glut. Der Junge, vielleicht 13 Jahre alt, rieb sich den Schlaf aus den Augen und blinzelte in die aufgehende Sonne, die durch das Fenster schien. Stoehnend und keuchend richtete er sich von seiner strohgedeckten Bettstatt auf. Er streckte sich ein wenig, reckte die Haende gegen die lehmigen Waende. Dann tauchte er die schwieligen, von Arbeit geschundenen Haende in einen Eimer kalten Wassers. Grob und fahrig stieg er danach in seine einfache leicht zerschlissene Arbeitshose und das braune, lederne Wams sowie die ausgetretenen Stiefel. Er seufzte leise und machte sich auf den Weg ins Freie. Er nahm sich einen Brotkanten, den er lustlos vor den Augen drehte, vom Kuechentisch herunter. Mit langen Zaehnen biss er hinein und riss energisch ein Stueck ab. Er war zaeh und begann hart zu werden. Aber er war wenigstens nicht schimmlig von der feuchten Luft geworden.
Sie hatten nicht viel, also musste seine Familie mit dem auskommen was er verdiente. Frueher war das anders, als der Vater noch in der Armee des Archon gedient hatte. Er wurde gut entlohnt. Als er jedoch im Kampf fiel reichte das, was die Familie als Entschaedigung bekommen hatten, nicht lange, obwohl sie sparsam damit umgingen. Von dem Verlust des dreifachen Vaters und Ehemannes ganz zu schweigen. Seitdem musste Maite jeden Kupfer hart verdienen, um sich, seiner Mutter und den zwei juengeren Bruedern zumindest Nahrung kaufen zu koennen. Seine Mutter versuchte mit Kloeppelarbeiten mitzuhelfen, die sie den ganzen Tag ueber anfertigte. Sein Bruder Jolnas, gerade einmal 5 Sommer alt, half ihr dabei indem er das Garn aufwickelte. Der juengste, Tilius, tollte seid er laufen konnte meist im Raum herum.
Als Maite nach draußen kam sah er seine Familie im Gemuesebeet die letzten Mohrrueben aus der feuchten Erde ziehen. Er drueckte ein truebes „Morgen“ raus und ging eher missmutig Richtung des Dorfes, dass sich vor kurzem gebildet hatte, wie an anderen Orten Mitrasperas als der Krieg begann. Maite hatte Arbeit bei einem Schmied gefunden. In Kriegszeiten gab es reichlich zu tun. Trotzdem bekam er nur einen Hungerlohn, der gerade so ausreichte. Er lernte jedoch einiges dabei, was ihm vielleicht spaeter einmal hilfreich sein koennte, von der Schmiedekunst. Meistens verbrachte er den Tag aber mit einfachen Hilfstaetigkeiten oder Botengaengen.
Die Waelder und Wiesen waren deutlich vom Sturm der letzten Nacht gezeichnet. Der Weg war voller Laub und AEsten, zeit weilen zierte auch ein umgestuerzter Baum den Pfad.
Maite brauchte laenger als sonst, was seinen Meister, einem kraeftigen Mann, veraergerte. Er scholt den Jungen, war jedoch nach einer Erklaerung nachsichtig und scheuchte ihn wie immer durch die Werkstatt.
Der Tag verging wie jeder andere auch, bis es am spaeten Abend schon beinahe zu dunkel war um weiter zu arbeiten. Sie waren gerade dabei Feierabend zu machen als ein großer verhuellter Mann die Tuer auf stieß. Er rief nach dem Besitzer, und schlug die Kapuze herunter. Ein bleiches, vernarbtes Gesicht mit langen straehnigen Haaren kam zum Vorschein. Das dunkle Gewand war schmutzig, man erkannte jedoch seinen urspruenglichen Wert. Er trug einen Guertel, dessen Schnalle mit einem Schaedel verziert war.
Barsch wurde Maite aus dem Raum geschickt, waehrend er verdutzt vor dem Fremden stand und ihn angestarrt hatte. Widerwillig ging der Junge aus dem Raum, nicht ohne noch einen Blick auf diesen seltsamen Mann zu werfen. Er hoerte nicht was sie sprachen. Aber sein Meister schickte ihn nach etwa einer halben Stunde nach Hause. Er gab ihm ein Silberstueck, mehr Lohn als Maite in einer ganzen Woche verdiente. Der fremde habe eine große Menge Waffen bestellt, sie wuerden lange viel zu tun haben und Maite solle fortan puenktlich sein.
Die folgenden Wochen waren sie eifrig am arbeiten. Bis zu jenem Tag im Sommer, als der Schmied einen großen Karren voller Waffen packte und dem dunkelhaarigen Jungen auf trug sie zur Feste Doerchguard zu bringen.
Die Feste war fast eine Tagesreise entfernt, sodass Maite sich schon im Daemmerlicht des naechsten Morgens aufmachte. Die Fahrt auf der holprigen Straße wuerde er in jedem Knochen und jedem Muskel merken, da war er sich sicher. Die Sonne brannte heiß auf ihn hernieder und das geklirre des Metalls machte ihn schon nach kurzer Zeit fast verrueckt.
Erst als es schon dunkel war erblickte er vor sich die Mauern, die er zu erreichen versucht hatte. Die Nacht war ploetzlich von Stimmengewirr erfuellt. Die Fackeln die sich an den Mauern entlang bewegten verrieten die Betriebsamkeit und das wache Auge der Patrouillen. Maite fuerchtete sich. Seine Haende waren kalt und zitterten. Das Zugtier war irrtiert von seinen Bewegungen und schnaubte ungeduldig. Wobei dies auch vom dumpfen Grollen das von der Festung ausging herruehren konnte.
Im Dunkeln waren die Wachen am Tor kaum zu erkennen. Stotternd nannte Maite seinen Namen und was er wollte. Nachdem er die Schmiedewerke gezeigt hatte wurde er eingelassen. Das Tor ging auf und vor Maite schien sich eine andere Welt zu oeffnen. Seine Angst verflog. Sie wurde zu Respekt und Neugier. Ein in Lumpen gehuellter Geselle nahm die Zuegel seines Tieres und fuehrte es, sodass der junge Besucher genug Zeit hatte sich umzusehen. Geschaeftiges Treiben ueberall, wild umherlaufende Kreaturen. Weiter hinten dachte er gesehen zu haben wie eine rießige Masse an Fleischteilen sich von selbst bewegen konnte, woraufhin umstehende Menschen jubelten. Ueberall wurde gehaemmert und gezimmert, woran man erkennen konnte das die Außenmauern eben erst fertig geworden sein mussten.
Sie wurden zu einem hoelzernen Unterstand gefahren. Ein stolz aber grob schreitender Mann kam auf ihn zugeeilt. Seine Haut war stark vernarbt, das konnte man selbst im fahlen Fackellicht erkennen. Er blickte Maite an, beachtete ihn aber nicht weiter, sondern zog die Plane vom Wagen herunter. Pruefend sah er die einzelnen Waffen an, nahm einige heraus und fuhr mit den Fingern ueber Schneiden und Griffe. Er wog sie in der Hand und bekundete schließlich barsch, dass er mit der Arbeit zufrieden sei. Wortlos nickte er einem an der Seite stehenden Wachmann zu und drehte sich auf dem Absatz herum. Die Wache trat an Maite heran. Dieser schaute ihn fragend an. Ohne das der Junge sich wehren konnte packte der Mann ihn und riss seinen Arm so herum, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Er legte ihm Fesseln an. Maite schrie wuetend auf, trat um sich. Doch ehe er es sich versah war er nicht mehr in der Lage sich zu ruehren. Sein ganzer Koerper schmerzte, er wusste nicht was geschah. Erst als er in eine Ecke geschleudert wurde merkte er, dass der Schmerz nachlies, wenn er auch von dem eines dumpfen Aufpralls seines Koerpers ersetzt wurde.
Sie hatten ihn einfach so ueberwaeltigt und in eine Ecke der Festungsanlage abgestellt. Großartig bewegen konnte er sich nicht, da er an Haenden und Fueßen gefesselt war. Er lag auf dem Bauch und seine Knie waren angewinkelt und mit einem Strick an seinem Hals befestigt worden. Wenn er versuchen wuerde sich zu befreien wuerde er sich wohl selbst erwuergen. Er wusste nicht warum, aber denken konnte er es sich. Die Waffenlieferung war groß und teuer. Es war nicht viel vorrausgezahlt worden. Sein Schmiedemeister wurde gerade um eine Menge Geld betrogen und er wuerde wohl als Sklave gehalten werden. So dachte er zumindest eine Weile waehrend er so dalag und ihn die Wut uebermannte bis er in Traenen ausbrach.
Irgendwann tauchte ein schleichend gebueckt gehende kleine Person auf. Sie pruefte ihn, murmelte unverstaendliche Worte vor sich hin. Schließlich nestelte sie an ihrer Tasche herum, schien nach kurzer Zeit gefunden zu haben was sie suchte und ging mit erhobenem Messer auf Maite zu. Seine Augen weiteten sich, er spannte die Haende zu Faeusten an sodass die Knoechel weiß hervor traten. Doch er war ihr unterlegen, nicht in der Lage sich zu wehren. Die Frau hielt ihm das Messer an die Kehle, sah ihm in die Augen, grinste debil und schnitt mit einem Ruck an Maites Hals entlang. Dieser hatte die Luft angehalten und atmete nun stoßweise aus. Die seltsame Frau mit den schwarz braunen Kleidern hatte ihm die Fesseln am Hals abgeschnitten und half ihm nun auch aus den restlichen Stricken heraus. Er richtete sich schwerfaellig auf. Sie griff grob nach seinem Kinn, riss seinen Kopf zu sich herum. „Du wirst mir ein guter Junge sein, was?“, sagte sie und zerrte grob an ihm herum. Sie schleifte ihn zu einer groben Behausung und sperrte die Tuere ab. „Ab sofort wirst du mir dienen. Nur mir allein. Dich wird niemand zu Gesicht bekommen. Fuer deine Muehen wirst du eines Tages vielleicht mit der Freiheit belohnt.
So vergingen die Tage und Wochen. Maite lernte schnell wie seine Herrin lebte und was sie wuenschte. Meist war er damit beschaeftigt Dinge zu saeubern oder zu reparieren. Irgendwann aber befand sie, er koenne auch schwierigere Aufgaben erledigen. So lies sie ihn in einen bis dahin verschlossenen Raum und wies ihn an Schriftzeichen von Pergamenten abzuschreiben. Maite konnte zwar lesen, doch die Zeichen waren ihm voellig unbekannt. Er schrieb sie einfach ab, begann aber bald einen Sinn in der Abfolge zu erkennen. Nach einigen Wochen des stupiden abnotierens gewann er sogar ein wenig Freude daran so zu arbeiten. Was stoerte ihn denn auch hier? Nagut, er war gefangen in einer engen Behausung. Aber er hatte genug zu essen, ein Dach ueber dem Kopf und eigentlich auch sonst alles was er sich wuenschen konnte. Vielleicht stand ja sogar etwas brauchbares in diesen Schriften, dass er zu seinem Vorteil verwenden konnte. Er hatte bis jetzt noch nicht herausgefunden wo er eigentlich war. Er war seid seiner Gefangennahme niemandem außer seiner Herrin mehr begegnet. Und diese hatte zumeist eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
So widmete er, waehrend der langen einsamen Stunden des abschreibens, seine Studien auch auf den Inhalt. Er erkannte, dass es sich einfach um andere Zeichen fuer jedes das er kannte handelte. Auf einem gesonderten Papier notierte er sich die Zeichen und uebersetzte dann gedanklich jede Schrift. Bald schon konnte er alles fluessig lesen. Und dies tat er auch. Er schrieb geschwind alles ab und hatte dann noch genug Zeit sich selbst weiter zu bilden. Manches mal ging es um Kampftechniken, oder ueber Wachplaene. Zeitweilen entdeckte er aber auch Gedichte, oder solche die anmuteten etwas in der Art zu sein. Es koennten auch Spruchformeln sein, ueberlegte er bald und versuchte aus den Inhalten zu erkennen fuer was sie gut waren. Nicht immer war dies moeglich, doch an einigen Stellen sehr wohl zu erkennen. Er ueberlegte die Zauber anzuwenden, vielleicht um einen eigenen Vorteil daraus zu ziehen. Doch ihm war nie die Moeglichkeit gegeben worden etwas ueber Magie oder ihre Anwendung zu lernen. So musste er sich weiter mit den Theorien der Sprueche auseinandersetzen.
Seine Herrin schoepfte nie Verdacht ob seiner Heimlichtuereien. Lediglich seine gute Laune bemerkte sie.
Maite wusste nicht wie lange er schon dort war, als er eines Morgens eine lange und sauber geschriebene Rolle Pergament fand, aus deren ersten Zeilen er erkennen konnte das die grundsaetzliche Anwendung von Magie darauf beschrieben war. Voller Neugierde las er jede einzelne Zeile. Bis zum Mittag hatte er jeden Satz mindestens zwei Male gelesen und wusste bald, so war er sich sicher, alles in und auswendig was darin stand. Doch zum ausprobieren lies er sich Zeit bis zum naechsten Tag. Zu unsicher war es um diese Zeit, da seine Herrin jederzeit wiederkommen konnte. Aufgeregt ging er zu Bett nachdem er fuer das Abendmahl gesorgt hatte, das er immer alleine zu sich nahm weil seine Herrin erst seine Arbeit kontrollierte. Er sollte die Nacht nur wenig schlafen koennen, voller Gedanken sich hin und her waelzend.
Als er am naechsten Tag sicher war allein zu sein zog er sich in den Schriftraum zurueck und raeumte den Tisch frei. Er begann, suchte sich einen Spruch heraus, waehlte einen wie es fuer ihn schien recht leichten. Ein Lichtzauber sollte das erste sein was er versuchen wollte. Er folgte den Anweisungen die er sooft gelesen hatte Schritt fuer Schritt und rief die eine Kraftquelle an, die in allen Texten immer wieder beschrieben war. Er wusste zwar nicht was es genau war, aber er suchte in seiner Umgebung mithilfe seiner Worte nach den Energien des Nechathon.
Kaum hatte er seine Suche begonnen so ergoss sich schon eine Flut von Energien ueber ihn, die er nicht zu baendigen in der Lage war. Es zerriss ihn beinahe in Stuecke ob der schieren Menge an Kraft die durch seinen Koerper ging. Von seinen Fußspitzen ueber seinen Torsos bis in seine Fingerspitzen, aus denen ein Lichtblitz herausschoß, der das ganze Zimmer erleuchtete. Es zog an seinen Kraeften und er meinte zu explodieren. Doch irgendwie schaffte er es die Flut mit seinen Worten zu beschwichtigen.
Er lag zitternd am Boden. Sein Koerper fuehlte sich ausgelaugt und schwerfaellig an. So als koennte er ihn nur muehsam bewegen. Und er fuehlte sich auch von seinem Herz her anders. So als haette er sich veraendert. Muehsam stand er auf, betrachtete dabei seine Hand die sich am Boden abstuetzen wollte und erschrak. Er sah aus wie die Gestalten die er bei seiner Ankunft gesehen hatte. Bleich und leblos. Verzweifelt griff er an seinen Wams um zu fuehlen ob er noch lebte, ob sein Herz noch schlug.
Doch das einzige was er fuehlte war Kaelte.
(Dieser Text ist eine Abschrift aus der ursprünglichen Wanderbibliothek der Ouai)